Praxis des Agni Yoga

Vortrag von Dr. Wolfgang v. Reinersdorff beim Agni Yoga Kongress 2010 auf Rügen

Sie kennen alle die Bibel. Das ist ein dickes Buch - mehrere Tausend Seiten. Und doch kann man das ganze Christentum mit einem Satz zusammenfassen. Nämlich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und Agni Yoga ist auch ein sehr dickes Buch. Doppelt so Dick, wie die Bibel. Aber man kann auch den Kern des Agni Yoga in einem Satz zusammenfassen. Das ist ein Satz aus dem Buch des Agni Yoga. Nämlich: Der unsterbliche Mensch wird der nicht der Zukunft würdig sein?

Das heißt der Kern des Agni Yoga ist, dass der Mensch kein Körper ist, sondern ein geistiges Wesen. Ein Wesen, das nicht vergänglich ist, wie der Körper, sondern das ewig lebt. Das ist die Grundlage von allem anderen. Und ohne diese Grundlage kann man die anderen Themen der Lehre gar nicht richtig verstehen. Karma oder Wiedergeburt oder Hierarchie. Das alles macht keinen Sinn, wenn man sich als sterbliches Wesen versteht.

Wir haben hier versucht in diesem Papier auf einer Seite zusammenzufassen, was es heißt, Agni Yoga zu praktizieren. Und diese Praxis des Agni Yoga kann man wieder mit einem Wort zusammenfassen - nämlich Verwandlung. Das heißt, das Ziel des Agni Yoga ist auf dieser Erde eine neue Stufe der Evolution zu errichten. Und dafür muss sich der Mensch verwandeln in einen neuen höheren Menschen in die sechste Rasse und die Erde muss sich auch verwandeln, um in einen höheren Zustand zu kommen.

Dies schöne russische Wort "преображение" [preobrazhenie] ist ein Wort, das aus der Bibel kommt. Sie kennen vielleicht die Geschichte, wo Jesus mit seinen Jüngern Petrus und Johannes zum Tabor geht und dort wird er verklärt und spricht dort mit Elias und mit Moses (Lk 9, 28-36). Das heißt, er kann mit Wesen sprechen, die gar nicht auf der Erde leben, die seit Tausenden Jahren tot sind, aber im verklärten Zustand kann Jesus mit Elias und Moses sprechen. Und dieses Wort verwendet Agni Yoga, indem es sagt, so können wir uns auch verwandeln, uns selbst auf eine höhere Stufe bringen. Und auf dieser höheren Stufe können wir dann auch mit anderen Seelen reden, die gar nicht auf der Erde leben.

Wenn der Mensch also ein geistiges Wesen ist, was man nicht sehen kann und nicht berühren kann, dann müssen wir sagen, dass das unser eigentliches Wesen ist, also nicht ein Körper, der vergeht, sondern der Teil, der geistig ist. Das heißt, man muss eigentlich sagen, ich bin nicht das, was man hier sieht, sondern ich bin ein geistiges Wesen, was man gar nicht sehen kann. Und dieses Wesen ist geistig, und damit ewig und unvergänglich. Das heißt ich, und wir alle, sind Wesen, die vor Äonen von Jahren schon gelebt haben, als es die Erde noch gar nicht gab. Und die immer noch leben werden, wenn es die Erde längst nicht mehr gibt, weil sie als Materie zerfallen ist. Und wenn man sich das vergewärtigt, dann kommt man zu einer ganz anderen Einstellung dem alltäglichen Leben gegenüber. Denn wenn man unvergänglich und ewig ist, ist man als Nächstes auch unverwundbar. Jeder Schaden, der meinem Körper zugefügt wird, der trifft mein wahres Ich, meine Seele im Grunde gar nicht. Selbst wenn man meinen Körper tötet, lebt meine Seele, ja mein wahres Ich, lebt weiter.

Das heißt, man muss auch vor nichts mehr Angst haben. Weil niemand einem ja was anhaben kann. Das Schlimmste, was andere tun können, ist meinem Körper Schaden zufügen. Aber meiner Seele kann keiner Schaden zufügen. Das heißt, Agni Yoga ist ein Weg, um die Angst zu überwinden. Alle von uns haben irgendeine Angst - große oder kleine. Man hat Angst um seine Gesundheit. Oder man hat Angst vor dem Tod. Oder man hat Angst um seinen Arbeitsplatz und alle diese Dinge. Und ein großer Teil des Schadens, der in der Welt angerichtet wird, kommt auch daher, dass die Menschen Angst haben. Sie machen Dinge, die irgendwelche Diktatoren, wie Stalin oder Hitler anordnen, nur weil sie Angst um sich oder ihre Familie haben.

Und wenn sie wüssten, dass sie ein unsterbliches Wesen sind, dem nichts passieren kann, dann hätten sie keine Angst und würden auch diese Dinge nicht tun. Also wenn sie zum Beispiel in Deutschland in der Hitlerzeit die Leute nehmen, die Hitler geholfen haben, die Juden zu ermorden, indem sie zum Beispiel eine Lokomotive mit Juden nach Auschwitz gefahren haben. Die haben sich ja immer entschuldigt, indem sie gesagt hatten, ich musste dies tun, denn ich hatte Angst um mein Leben oder Angst um meine Familie. Und wenn man ihnen diese Angst nehmen würde, indem man sagen würde, dem wahren Ich, deinem wahren Ich und dem wahren Ich deiner Familie kann überhaupt nichts passieren, wenn du das nicht tust, dann würde diese Angst langsam verschwinden. Erst dann kann man auch daran gehen wirklich eine Herrschaft von Ethik und Moral zu errichten. Es gibt einen berühmten deutschen Schriftsteller, Bertold Brecht heißt der, der hat so ein Wort geprägt, was jetzt immer in der Linken Szene aktuell ist, "erst kommt das Fressen und dann die Moral" (aus "Dreigroschenoper"). Das heißt, er will den einfachen Leuten suggerieren, erstmal ist wichtig, dass ihr zu Essen habt, und dass ihr den Reichen das Essen wegnehmt und um die Moral könnt ihr euch später kümmern. Aber das kehrt im Grunde die Dinge auf dem Kopf, denn eine Moral muss sich ja gerade dann beweisen, wenn die Situation schwierig ist, wenn jemand Hunger leidet oder in Schwierigkeiten ist. Gerade dann kommt es darauf an, die Moral zu bezeugen. Eine Moral, die man nur bei Sonnenschein anwendet, ist ja nichts wert. Das heißt, vom Standpunkt des sterblichen Menschen hat Bertolt Brecht vielleicht recht, wenn jemand denkt, mit dem Tod ist seine Existenz zu Ende, der kann sich vielleicht wirklich nicht um die Moral kümmern. Aber wir als unsterbliche Menschen, wir gewinnen eine riesige Freiheit, wir können sagen, wir kämpfen für die Moral, selbst wenn wir selbst dabei Schaden nehmen.

Und auch durch so eine Haltung bekommt der Mensch seine wirkliche Würde zurück. Es ist ja würdelos, wenn die Leute aus Angst oder aus Hunger sich im Grunde auf die Ebene der Tiere zurückbegeben und unmoralische Dinge tun. Unsere wahre Würde besteht darin, dass wir gerade dann, wenn es uns schlecht geht, unser höheres unsterbliches Ich bekräftigen und nicht abschalten.

Und die letzte Konsequenz, die sich aus alldem ergibt, ist Freude. Denn ein Mensch, der sich vor nichts fürchten muss, der in völliger Freiheit lebt, der in Würde lebt, der kann sich freuen über alles, was ihm geschieht. Der kann sich gerade auch über Schwierigkeiten und über Hindernisse freuen, weil er weiß an diesen Hindernissen kann seine Seele wachsen.

Ich habe gestern mit einen von Ihnen gesprochen, wie man Agni Yoga einfachen Menschen, die davon gar nichts wissen, wie man den erklären kann, was Agni Yoga ist. Ich denke der erste und einfachste Satz ist, dass man sagt, wenn man die Gesetze des Kosmos kennt und wenn man die Unsterblichkeit seiner Seele kennt, dann kann man alles Leid, was man fühlt, in Freude verwandeln. Denn an sich hat Leid ja dieselbe Funktion wie Schmerz. Wenn ich hier mit dem Knie gegen den Tisch stoße und mein Körper schmerzt, dann ist das eine Warnung. Der Körper sagt, tue das nicht zu oft, sonst schädigst du dich selbst. Und genauso ist es mit Leid. Leid macht uns aufmerksam auf Punkte, wo wir gegen kosmische Gesetze verstoßen. Oder wo wir falsch denken, wo wir uns falsch verhalten. Und wenn wir uns an die kosmischen Gesetze halten und uns richtig verhalten, dann verschwindet das Leid. Agni Yoga sagt, Wissen wird allem menschlichen Leid ein Ende bereiten. Das heißt, wir können jemanden sagen, der Agni Yoga nicht kennt, wir haben die Mittel und das Wissen, um Dein Leid in Freude zu verwandeln. Und es gibt so viel Leid auf dieser Welt, dass wir ein riesiges Arbeitsfeld haben, um mit Agni Yoga zu helfen, dieses Leid aus der Welt zu schaffen.

Dann sehen wir uns diesen neuen, verwandelten, unsterblichen Menschen noch etwas genauer an. Wir müssen unsere höhere Identität entwickeln. Der normale Mensch führt ja ein abgegrenztes Leben, hier ist er ein Stück Mann. Dann stirbt er, dann wird er wiedergeboren und ist vielleicht eine Frau. Und dann stirbt er, wird er wiedergeboren, ist und vielleicht ein Russe. Und dann stirbt er, wird wiedergeboren, ist Deutscher. Dann ist er einmal Jude, einmal Christ, einmal Moslem, einmal Hindu. Dann ist er mal König und herrscht über die Leute, die unter ihm sind, und nimmt denen das Geld weg. Und dann ist er mal einfacher Arbeiter und empört sich und kämpft gegen den König.

Aber das sind alles getrennte und sterbliche Existenzen, weil sie keine Verbindung miteinander haben. Und wenn er hier Palästinenser ist, kämpft er vielleicht gegen die Israelis. Dann wird er später wiedergeboren als Israeli und kämpft dann gegen die Palästinenser. Er kämpft gegen seinen eigenen früheren Glauben, weil er unwissend ist. Nun wird er hier als Moslem geboren und kämpft gegen die Hindus und brennt deren Kirchen ab. Dann wird er als Nächstes als Hindu geboren und verachtet dann die Moslems - und merkt nicht, dass er sich selbst verachtet. Und das alles, weil er nicht weiß, dass das gar nicht sein wahres Ich ist, sondern sein Wahres ich ist hier oben.

Und die Aufgabe ist jetzt von hier oben bewusst abzusteigen auf die Erde. Bewusst hier diesen Körper als Werkzeug zu benutzen für ein höheres Wesen. Dann hier beim Tod bewusst aufzusteigen, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Dann bewusst in der höheren Welt zu leben. Dann bewusst wieder abzusteigen und ein neues Leben zu führen. Aber jetzt eben mit der Verbindung, mit dem Wissen, dass man eine einheitliche Persönlichkeit ist. Und so geht das dann immer weiter. Und dann haben wir im Grunde eine Persönlichkeit, die oben und unten, oben und unten ein einheitliches Leben führt. Nicht zehn verschiedene sondern ein Einheitliches.

Und das ist sehr schwer. Da sind wir noch weit davon entfernt. Aber das ist das Ziel. Und man kann anfangen, daran zu arbeiten. Wie einer der Roerichs so schön schreibt, indem man bei den Übergängen zwischen Wachen und Schlaf - im Schlaf begibt man sich ja auch in die höhere Welt - dass man versucht diese Übergänge bewusst zu gestalten. Bewusst im Schlaf zu agieren. Bewusst wieder runter zu kommen. Das ist der erste kleine Versuch.

Und man muss versuchen, sein Bewusstsein aus diesem Körper hier zu lösen. Und das Bewusstsein hier in unser wahres Ich zu verlegen. Und das ist vor allem eine Frage des Denkens. Wenn zum Beispiel der Magen knurrt, dann denke ich, ich habe Hunger. Das stimmt aber nicht. Denn Hunger hat nur der Körper. Mein wahres Ich, meine Seele hat keinen Hunger. Die braucht keine materielle Nahrung. Das heißt, man muss sein Denken umstellen. Und muss sagen, mein Körper möchte gerne etwas zu Essen haben. Aber ich entscheide, ob er etwas bekommt oder nicht. Das ist wie beim Auto, wenn das Benzin langsam alle wird. Dann überlegt man sich, ob man an der nächsten Tankstelle noch vorbeifährt, weil das Benzin so teuer ist und erst später tankt. Aber die Entscheidung muss hier oben fallen, und die Entscheidung darf nicht auf der Ebene des Körpers fallen.

Das Zweite ist, dass wir auch eine eigene neue Heimat haben - unser höheres Ich. Das höhere Ich kommt aus der höheren Welt ja nur für einen kurzen Besuch auf die Erde. Hat hier einen kurzen Auftrag und kehrt dann nach oben zurück. Das heißt, wir müssen uns bewusst machen, dass unsere wahre Heimat nicht die Erde ist, sondern die höhere Welt. Und wir müssen versuchen uns vorzustellen, wie unsere wahre Heimat aussieht.

Und ich denke mir immer, wenn ich an Frau Blavatzky denke, die drei Jahre in einem Ashram der Bruderschaft in Tibet gelebt hat und dort unterrichtet worden ist von den Mahatmas. Die höchste Heimat, die man als Agni Yoga haben kann, ist so ein Ashram dieser Bruderschaft. So wie Nicholas Roerich sie auf so vielen Bildern so schön gemalt hat, diese typischen tibetischen Bergburgen. Dass wenn man Agni Yoga verehrt, kommt man aus einer Welt, die ungefähr so aussieht auf die Erde und möchte auch dann auch in so eine Welt zurück, nach dem Tod. Und dort in dieser höheren Heimat finden wir auch unsere wahren Verwandten. Unsere heutigen irdischen Blutsverwandten - Kinder und Eltern und Ehepartner - sind ja nicht unbedingt notwendig unsere ewigen Weggefährten.

Die Lehre sagt, es können in unserer Familie sogar Feinde sein. Also es kann sein, dass unser Kind oder unsere Ehefrau oder unser Vater sogar unser geistiger Feind ist, in derselben Familie. Das heißt, wir müssen uns bewusst machen, unsere wahre Familie, unsere geistige Familie ist nicht auf dieser Erde hier. Unsere wahren Verwandten, unsere Seelenverwandten befinden sich nur hier auf der höheren Ebene. Das ist unser geistiger Lehrer, unser geistiger Vater, unsere geistige Mutter. Und unsere Mitschüler, mit denen wir dann zusammen unter einem Lehrer lernen; genau, wie Frau Blavatzky das getan hat.

Dann kommen wir zum Schluss zu der Frage, wie dieses höhere Wesen jetzt hier auf der Welt auftreten soll. Die Lehre sagt, der Anfang von allem ist Disziplin. Das heißt, wir müssen jeden Moment bemüht sein, wenn wir auf der Erde etwas tun, dass unser höheres Ich darin zum Ausdruck kommt. Wenn wir denken, muss es das höhere Ich sein, das denkt. Und wenn wir handeln, dann muss es das höhere Ich sein, das handelt und nicht das tierische Ich. Also muss immer klar sein, dass es einen beständigen Kampf gibt, zwischen dem höheren ich und dem Körper. Das nieder Selbst hat auch seine eigenen Wünsche und Begierden, die es gerne zum Ausdruck bringen möchte. Und wir müssen wachsam sein, dass immer das höhere Ich die Herrschaft hat und unsere Gedanken und Taten beherrscht.

Dann gibt es drei Lebensgrundsätze. Das Erste ist Gehorsam. Das Zweite ist Leben in zwei Welten. Und das Dritte ist Selbstlosigkeit. Gehorsam heißt, dass wir den kosmischen Gesetzen und den Weisungen der Mahatmas und unserem eigenen inneren Gewissen folgen müssen. Eigentlich ist Praxis des Agni Yoga ganz einfach - man muss nichts anderes tun als die Weisungen, so wie sie in den Büchern stehen erfüllen. Mehr nicht; ganz einfach. Und trotzdem sagt Helena Roerich, dass leider nur höchstens ein Zehntel der Weisungen selbst von den Schülern umgesetzt wird.

Das Zweite ist Leben in zwei Welten - oben und unten. Wenn die Seele hier unten inkarniert ist, lebt sie ja trotzdem in der höheren Welt weiter. Und dieses Leben in der höheren Welt, das muss hier auch während wir irdisch inkarniert sind wirklich real werden. Wir kommen aus einer höheren Welt. Haben einen Auftrag hier unten. Und gehen in die höhere Welt zurück. Und das sollte man sich jeden Tag vergewärtigen. Indem man sich am Morgen jedenfalls für einen kurzen Moment im Geist mit den Lehrern verbindet und sich in seine geistige Heimat begibt. Und dann nimmt man einen höheren Standpunkt ein und sagt, ich bin jetzt ein Gesandter aus einer höheren Welt, der hier unten auf der Welt einen Auftrag zu erfüllen hat. Und mit diesem Bewusstsein geht man dann durch den ganzen Tag hindurch. Und abends geht man, im Geist jedenfalls, wieder hoch, verbindet sich wieder mit seinen geistigen Verwandten und legt auch ein bisschen Rechenschaft ab, was man getan hat im Laufe des Tages; was war richtig, was war falsch. Was hat man gut gemacht, was hat man schlecht gemacht. So wird es ja beim Tod auch sein, wenn wir sterben. Spätestens dann kommen wir wieder nach oben und müssen unserem Lehrer entgegentreten. Und wenn man das jeden Tag übt und nicht bis zum Tod wartet, wird man es nachher beim Tod einfacher haben.

Und der dritte Lebensgrundsatz ist Selbstlosigkeit. Das heißt, wir sollen nicht an uns denken, sondern wir sollen Werkzeuge des höheren Willens sein. Und je mehr wir mit unseren eigenen kleinen alltäglichen Dingen befasst sind, desto weniger kann die Hierarchie durch uns wirken. Und wir müssen uns immer klar machen, dass die Seele wächst, wenn sie sich opfert. Nicht, wenn sie nimmt, sondern wenn sie gibt. Die Seele wird wirklich größer, wenn sie sich in einem großen Dienst hingibt. Und nicht, wenn sie versucht für sich irgendwie irgendetwas zu erraffen oder zu ergreifen.

Und dann komme ich zum letzten Punkt meines Vortrages. Der Frage, was sollen wir den jetzt auf der Erde tun. Da möchte ich kurz vorlesen - einen wichtigen Paragraphen. Das ist ein Paragraph aus dem Buch Feurige Welt, Band 2, 457: Teilt alles in vier Teile: Der Erste gelte dem Höchsten, der Zweite dem Allgemeinwohl, der Dritte eurem Nächsten, der Vierte euch selbst. Jedoch es schlägt die Stunde, in der es nur noch drei Teile gibt, denn der Vierte wird vom Zweiten verschlungen. Solch eine Aufteilung wird als feurig bezeichnet. Allein das Herz kann ihre Grenzen bestimmen. Doch die Reihenfolge möge feurig eingeschrieben werden.

Das heißt, um vier Dinge sollten wir uns kümmern. Das Erste ist die Verbindung mit der höheren Welt. Das Zweite ist der Dienst am Allgemeinwohl. Das Dritte ist der Dienst an unserem Nächsten - also zum Beispiel die Familie. Und das Fünfte ist wir selbst. Aber in dem Sinne, dass wir an uns selbst arbeiten. Und Agni Yoga stellt damit das, was so für den normalen Menschen gilt, vollkommen auf den Kopf. Denn der normale Mensch denkt erst an sich, und vielleicht ein bisschen an seine Familie. Ans Allgemeinwohl meistens nicht mehr. Und an das Höchste überhaupt nicht. Und für uns ist das umgekehrt.

Und Jesus hat in der Bibel übrigens auch schon gesagt, das höchste Gebot ist: liebe Gott (Matth. 22,34-37). Diese Verbindung zur höheren Welt wird hier im Westen auch Meditation genannt. Was ein Begriff ist, der von der Lehre nicht so geschätzt wird, sondern als veraltet angesehen wird. Aber man kann sagen, wir sollen einen Zustand erreichen, wo wir in ständiger Verbindung mit unseren geistigen Führern sind. Und dieser Zustand ist sehr sehr schwer zu erreichen. Nicholas Roerich hat den vielleicht erreicht, aber wir sind soweit noch nicht. Und deswegen ist es gut, wenn wir damit anfangen, das wir uns jedenfalls morgens früh für eine Viertelstunde und abends für eine Viertelstunde mit den höheren Welten zu verbinden. Und dann versuchen diese höheren Zustand im Laufe des Tages so einigermaßen aufrecht zu erhalten.

Dienst am Allgemeinwohl heißt, dass wir dazu beitragen sollen, hier auf Erden eine bessere Welt zu errichten. Die Zustände, wie sie jetzt herrschen hier, sind nicht gewollt von den höheren Welten. Hier herrscht Egoismus, und Ungerechtigkeit und Armut und Arbeitslosigkeit. Und wir alle sind aufgerufen, diese Zustände zu ändern und eine bessere Welt aufzubauen. Und die Arbeit unseres Ordens in Hamburg versteht sich auch so, dass wir einen kleinen Kern dieser besseren Welt hier auf der Erde errichten wollen.

Und der letzte Lebenskreis gilt uns selbst. Das heißt, wir müssen an unserer eigenen Selbstvervollkommnung arbeiten. Und zwar nicht an der Vervollkommnung unseres Körpers, sondern wir müssen unser höheres Wesen vervollkommnen. Man kann dieses höhere Wesen genauso trainieren und heilen und pflegen und üben, wie man den Körper üben kann.

Mahatma heißt ja große Seele. Und wir sind zurzeit noch ziemlich kleine Seelen. Und unsere Aufgabe ist es zu einer großen Seele zu werden. Und nur wenn wir uns selbst verwandeln, werden wir auch die Welt verwandeln können. Wenn wir dieselben bleiben, wird sich in der Welt gar nichts ändern. Aber wenn wir uns verwandeln, dann wird die Welt sich auch verwandeln.

Und damit bin ich am Ende meines Vortrags. Das ist alles leicht und schön gesagt. Nun müssen wir uns auch daran machen, das auch auszuführen.

29.06.2010. 

Nachgedruckt von Agni Yoga Forum