Mikaloius  Konstantinas  CIURLIONIS (CHIURLIONIS) 1875-1911

Ich höre, dass der Name M.K.Chiurlionis* zum nationalen litauischen Namen geworden ist, zum Stolz der Litauer. Von ganzer Seele freue ich mich darüber. Sei begrüßt, jede Anerkennung von echtem Reichtum der Kunst in allen Jahrhunderten! Nur da, wo echte Arbeiter und Schöpfer als Helden anerkannt werden, ist es möglich, eine neue Zukunft zu schaffen. Weg mit der Unhöflichkeit, mit der Kränkung des besten Schaffens der Menschen! Weg mit der unhöflichen Verneigung! Die Menschheit soll die helle Zukunft zulassen und aufbauen. Wenn Aufbau kommt - kommt alles.

Es sind noch nicht weit die Zeiten, in denen wurde alles Neue und Ungewöhnliche ausgelacht oder skeptisch ignoriert. Diese Skeptiker mit den harten Herzen sind bereit, jeden für jede kleine neue Schöpfung zu vernichten. Wenn etwas in neuer Form kommt, ist das etwa schon ein Grund, die Künstler zu quälen?

Wir alle erinnern uns an Van Gogh, der dem Vermieter mit eigenem abgeschnittenen Ohr für die Wohnung zahlte. Diese Erinnerung wurde zum Symbol der widerlichen "Fleischbelohnung" von Scheilokovsky.

Wir alle erinnern uns, wie Modiljani nur durch seinen Hungertod bekannt wurde.

Wir erinnern uns an die Tragödie des Genies Wrubel. Sein Geist konnte die grausamen Angriffe rücksichtsloser Zeitgenossen nicht verkraften.

Genauso wurde Chiurlionis das Leben schwer gemacht. Er brachte den Menschen eine neue, geistvolle, echte Kunst. Doch viele von ihnen lehnten seine Werke nur aus dem Grund ab, weil sie nicht durch etwas Neues in ihrem täglichen Einerlei gestört werden wollten.

Ich kann mich erinnern, wie kaltblütig und skeptisch noch vor 25 Jahren seine Kunstwerke in vielen Kreisen der Gesellschaft aufgenommen wurden. Die Kaltherzigen konnten nicht von seinen Formen, harmonischen Farbtönen, in jedem Bild gespiegelte seelische Gedanken berührt werden. Chiurlionis trug in sich eine natürliche Begeisterung für die Natur. Er brachte seinen neuen Stil, eine neue Konzeption der Farbtöne und einen neuen Aufbau der Harmonie. Es war seine eigene Kunst, seine eigene Sphäre. Anders konnte er nicht denken und nicht schöpfen. Er brauchte die Unterstützung und das Verständnis seiner Zeit, aber nicht umgekehrt, wie es wirklich geschah. Seine besten Werke wurden auch in den besten Kreisen angezweifelt...

Gleich bewertet wurden die Kunstwerke von Skriabin. Er hatte viel Gemeinsames mit Chiurlionis, sogar die Charaktäre waren ähnlich.Funeral Symphony V. 1903. Mikalojus Chiurlionis

Einmal kam Skriabin zu spät, ich sagte es ihm. Er antwortete mir: "Sollen wir Zeit nach Menschheit messen?" Vielleicht kamen er und Chiurlionis wirklich rechtzeitig auf unsere Erde, es wird so sein, weil das Kommen von solcher künstlerischer Schaffenskraft auf unserem Planeten streng begrenzt ist. Beide Künstler brachten durch ihre Besonderheit und Überzeugungskraft, jeder in seinem Bereich, viele junge Seelen zu neuem Denken.

Niemand weiß, wo sich die größte Wirkung der Kunst lagert und spiegelt. Kurz vor seinem Tod schrieb mir L.Andrejev folgendes: "Ich höre, dass es auch meine Leser gibt, aber ich kenne und sehe sie nicht." Traurig klangen diese Worte des Schriftstellers.

Ein anderer Künstler schrieb: "Ich spreche wie zu den Kissen".

Wirklich kennen wir nicht die Wege der Kunstwirkung. Der Spruch "Die Wege sind rätselhaft" trifft wirklich zu. Aber parallel zur dieser unsichtbaren Wahrnehmung des Künstlers bildet sich die höchste Spannung seiner Kräfte. Alle erinnern sich an die Tragödie von Rembrandt und Franz Chals. Aber in dieser Tragödie gab es so viel an stolzem Triumph, ohne den diese Künstler ihr bestes Ausdruck zum Teil verloren hätten. Ohne Feinde hätten die Menschen vieles Nützliche und Wunderschöne in ihrem Leben vergessen. Das Lob an die Feinde wurde von mir nicht umsonst geschrieben.

Chiurlionis hätte auch in seinen wunderschönen, friedlich-melodischen Werken das Lob an seine Feinde schreiben können. Die Feinde und "Wilden" haben vieles getan für seinen Anerkennung. Und wenn sie kam, diese leichtgeflügelte Besucherin, dann nicht, um neben den Werken von Chiurlionis zu übernachten, sondern um sein Schaffen für immer zu beleuchten. Wie groß ist die Freude, wenn das ganze Volk seinen echten Reichtum anerkannt hat.

Neulich verabschiedete sich die Menschheit von M.Gorky. In diesem Zusammenhalten der Menschen könnte man einen Ausruf der Dankbarkeit erkennen. Nicht nur dem Schriftsteller, sondern der Wahrheit des Lebens widmete sich dieser Schwung an Menschenfreundschaft und brachte den Reichtum der Kunst hoch.

Wunderbar ist die Anerkennung der Kunst durch das litauische Volk. Es ist keine kurzzeitige Explosion der Sentimentalität, sondern eine stabile Anerkennung, eine tiefe Verbeugung vor dem Schöpfer und fleißigen Arbeiter. Ich freue mich über Nachrichten aus Litauen über die Anerkennung des schönen Malers Chiurlionis.

N.Roerich
3. September 1936
Uruswati, Himalaja