Franz Anton Mesmer. 
Unveränderter Nachdruck 
der Ausgabe Karlsruhe, 1781.

Abhandlung über die Entdeckung 
des thierischen Magnetismus

Die schon so lange gewünschte Entdeckung eines auf die Nerven würkenden Principiums muß allen Menschen höchstwichtig seyn. Sie betrifft einen Gegenstand der ihre Einsichten erweitert und sie zugleich glücklicher macht, der ihnen ein Mittel anbietet, Krankheiten zu heilen, die man bißher selten mit glücklichem Erfolg behandelte. Die Vorzüge und das sonderbare dieses Lehrgebäudes, liessen vor einigen Jahren das Publicum, die erste, von mir hierüber gegebene, Fingerzeige äusserst begierig aufnehmen. Neid, Stolz und Mißtrauen entstellten, versetzten sie dadurch, in kurzer Zeit, unter die Betrügereyen, machten, daß man sie vergaß.

Vergeblich bemüht' ich mich, durch eine Menge von Thatsachen, sie wieder in Gang zu bringen. Vorurtheile siegten und die Wahrheit blieb ihr Opfer. Aber - Worinn besteht denn diese Entdeckung? - Wie sind Sie darauf verfallen? - Was hat man sich von ihren Vortheilen zu versprechen? - Warum haben Sie diß alles nicht Ihren Landsleuten mitgetheilt? - Lautet Fragen, die mir, seit meinem Aufenthalt in Paris, von Personen gemacht wurden, die gewiß alle Fähigkeiten hatten, neue Fragen gründlich zu untersuchen.

Beruhigende Antworten hierauf, eine allgemeine Idee von meinem Lehrgebäude zu geben, die Irrthümmer, die man muthwillig darein verflochte, davon abzusondern, die widrigen Vorfälle, welche seine Bekanntmachung verhinderten, öffentlich zu erzählen, ist die Absicht dieser Schrifft, die nur ein Vorläufer meiner Theorie seyn soll, und diese werd' ich heraus geben, so bald mir die Umstände gestatten, die pracktische Regeln, der Methode, die ich hier ankündige, bekannt zu machen. Aus diesem Gesichts = Punkt, bitt' ich, den Leser, diß kleine Werkgen zu beurtheilen. Ich weiß es gar zu wohl. Er wird auf manche Schwierigkeiten stossen - allein, man mache die nothwendige Bemerkung: Sie können unmöglich durch blosse Vernunft = Schlüsse, ohne Erfahrungen, gehoben werden. Diese allein werden die Nebel zerstreuen - die höchstwichtige Warheit in das vollste Licht setzen: Die Natur bietet dem Menschen = Geschlecht ein allgemeines Heil = und Verwahrungs = Mittel gegen alle Krankheiten an.

Der Mensch ist von Natur Beobachter. Von der Geburt an ists seine einige Beschäftigung, um den Gebrauch seiner Glieder kennen zu lernen. Würde ihm nicht das Auge unnützlich seyn, wenn ihn nicht die Natur gleich anfänglich antriebe, die kleinste Veränderungen, deren dasselbe fähig ist, zu bemerken. Abwechselnder Genuß und Mangel lehren ihn das Daseyn des Lichts und seine verschiedene Grade kennen, aber nie würde er von Weite, Grosse und Gestalt der Gegenstände einige Känntniß erhalten, wenn er nicht die Eindrücke der übrigen Empfindungs = Werkzeuge damit vergliche, verbände, und einen durch den ändern berichtigte. Der größte Theil seiner Empfindungen sind demnach Resultate seines Nachdenkens, über die vereinigte Eindrücke seiner Empfindungs = Werkzeuge.

So bringt der Mensch seine erste Jahre zu, um zu einem schnellen und richtigen Gebrauch seiner Sinne zu gelangen. Ein ihm anerschaffener Beobachtungstrieb, setzt ihn in Stand, sich selbst zu bilden, und die Vollkommenheit seiner Fähigkeiten, hängt, von der mehr oder weniger ununterbrochenen Anwendung, dieses Triebs ab.

Unter unzähligen Gegenständen, die sich ihm nach und nach darstellen, fällt seine Aufmerksamkeit wesentlich auf diejenige, die ihm durch ganz besondere Verhältnisse wichtig werden. Beobachtungen der allgemeinen beständigen Wirkungen der Natur auf jedes Individuum sind kein ausschliessungsweise erhaltenes Vorrecht des Weltweisen. Der allgemeine Vortheil macht fast jeden einzelnen zum Beobachter, und diese vervielfältigte, zu allen Zeiten, aller Orten angestellte Beobachtungen lassen uns an ihrer Richtigkeit nicht zweifeln.

Allein die Thätigkeit des menschlichen Geistes, verbunden mit der unersättlichen Wißbegierde, verläßt, indem sie die schon erworbene Känntnisse zu vervollkommnen sucht, den Weg der Beobachtung, will diese durch unbestimmtes oft unnützes Grübeln ersetzen, bildet und häuft Lehr = Gebäude, die kein Verdienst als von einer Geheimnus vollen Abstracktion haben, und entfernt unmerklich von der Wahrheit, so daß man auf dem Punkt steht, sie aus dem Gesicht zu verliehren, ja Unwissenheit und Aberglauben an ihre Stelle zu setzen.

An diesen so entstellten menschlichen Känntnissen, sieht man keine Spuhr mehr von der Wahrheit, die sie im Anfang so vorzüglich auszeichnete. Oefters bemühte sich die Weltweisheit sich von Irrthümmern und Vorurtheilen loszureißen. Da sie aber diese Gebäude allzuhitzig zerstöhrte, bedeckte sie die Trümmer mit Verachtung, ohne einen aufmerksamen Blick, auf die unter ihnen verborgene Kostbarkeiten zu werfen.

Wir sehen, daß sich, einerley Meynungen, bey verschiedenen Völkern, unter einer so unvortheilhafften, dem menschlichen Verstand so wenig Ehre bringenden Gestalt erhalten haben, daß es gar nicht wahrscheinlich ist, daß sie im Anfang so aussahen.

Betrug und Verwirrung der Vernunft hätten sich umsonst bemühet, ganze Völker zu vereinigen, so augenscheinlich ungereimten und lächerlichen Lehrgebäuden allgemeinen Beyfall und Annahme zu verschaffen, wie sie noch jetzo haben. Wahrheit und allgemeines Interesse allein waren fähig, dergleichen Meynungen allgemein zu machen.

Es läßt sich daher behaupten, daß sich unter den allgemeinen Meynungen aller Zeiten (wenn sie änderst ihren Grund nicht in dem menschlichen Herzen haben) sehr wenige finden, sie mögen auch so lächerlich, ja ausschweiffend seyn als sie immer wollen, welche nicht als Ueberbleibsel einer anfänglich anerkannten Warheit, könnten betrachtet werden. Dergleichen Betrachtungen, stellte ich über die menschliche Känntnisse überhaupt, insonderheit aber über das Schicksal der Lehre: Vom Einfluß der Himmelskörper auf unsere Erde, an. Betrachtungen, die mich veranlaßten, unter den Trümmern, dieser, durch Unwissenheit, verächtlich gewordenen Wissenschafft, das, in ihr vielleicht enthaltene Nützliche und Wahre aufzusuchen.

Titelblatt der gedruckten Doktorarbeit von F.A.Mesmer "De Planetarum Influxu". Die erste Seite der Doktorarbeit Mesmers "De Planetarum Influxu"
Titelblatt der gedruckten Doktorarbeit von F.A.Mesmer "De Planetarum Influxu" mit Angabe des Datums der öffentlichen Disputation (17. Mai 1766). Die erste Seite der Doktorarbeit Mesmers "De Planetarum Influxu".

Meine Gedanken, über diesen Gegenstand, gab ich 1766 in Wien in einer Abhandlung: Vom Einfluß der Planeten in den menschlichen Körper1 heraus. Nach vorausgeschickten, bekannten, durch Erfahrungen bestättigten Grundsätzen, der allgemeinen Attracktion, die uns überführen, daß ein Planet auf den ändern in seiner Laufbahn wirkt, und daß Mond und Sonne, auf unserer Erde, Ebbe und Fluth so wohl im Meer, als im Dunstkreis verursachen und lenken; behauptete ich: Diese Weltkörper wirken auch gerade zu auf alle wesentliche Bestandtheile lebendiger Körper, vorzüglich aber auf das Nerven = System, vermittelst einer alles durchdringenden Flüssigkeit. Ich bestimmte die Art dieses Einflusses, und sagte: Daß er die Eigenschafften der Materie und der organischen Körper, z.B. die Schwere, Zusammenhang, Schnellkraft, Reitzbarkeit und Elecktricität, bald verstärke bald schwäche.

Ich behauptete ferner: Daß diese, in Absicht auf die Schwere entgegen gesetzte Wirkungen, welche auf der See, die merkliche Veränderung der Ebbe und Fluth verursachen, daß Verstärkung und Schwächung der oben bemerkten Eigenschafften, da sie einerley Wirkungs = Quelle haben, auch in lebendigen Körpern, entgegen gesetzte, der Ebbe und Fluth ähnliche Wirkungen verursachen; daß auch im thierischen Körper, weil er den nemlichen wirkenden Kräfften ausgesetzt ist, eine Art von Ebbe und Fluth statt finde. Diese Eigenschafft thierischer Körper, welche sie des Einflusses der Himmels und unseres Erdkörpers fähig macht, nannt' ich thierischen Magnetismus.

Aus ihm erklärt' ich die monatliche Zeiten des Frauenzimmers, und überhaupt alle periodische Veränderungen, welche alle Aerzte, in der ganzen Welt, von je her, bey Krankheiten beobachtet haben.

Damals sucht ich nur die Aufmerksamkeit der Aerzte rege zu machen, ich bemerkte aber bald, daß man, mich, (statt meine Absicht zu erreichen) als einen Sonderling, als einen Systemwürker ansähe, ja mir, aus meiner Neigung, den gewöhnlichen Weg in der Arzneykunst zu verlassen, ein Verbrechen machte.

Nie verbarg ich, in diesem Punkt, meine Gedenkungs = Art. Ich konnte mich wirklich nicht überreden, daß wir in der Heilkunde so grosse Schritte sollten gemacht haben, wie wir uns schmeichelten. Ich glaubte vielmehr, je weiter wir in der Känntniß des mechanischen, der Oekonomie des thierischen Körpers kämen, desto mehr müßten wir unser Unvermögen eingestehen. Eben die, obschon noch sehr unvollkommene neuere Einsichten in die Natur und Wirkung der Nerven, läßt uns gar nicht hieran zweiffeln. Wir wissen, daß sie die erste Triebfeder des Empfindens und der Bewegung sind, aber wir können sie nicht wieder in den natürlichen gesunden Zustand setzen, wenn dieser etwa zerstöhrt, unterbrochen würde. Ein Vorwurf der uns gewiß trifft, denn unsre Vorfahren kannten sie zu wenig, als daß er ihnen hätte gemacht werden können. Das abergläubische Zutrauen, welches sie selbst auf ihre unfehlbare Mittel und Formeln setzten, und ändern einflößten, machte sie zu stolzen Despoten.

Ich verehre die Natur zu sehr, als daß ich mich überreden könnte: Sie habe die Erhaltung jedes einzelnen Menschen, dem Ohngefehr der Entdeckungen und unbestimmten Beobachtungen überlassen, welche seit mehrern Jahrhunderten gemacht wurden, um das Eigenthum einiger einzelnen Personen zu werden.

Vollständig sorgte Sie für das Entstehen jede Individuums, das Erzeugungs = Werk wird ohne System ohne Künsteleyen verrichtet. Und sollte nicht für die Erhaltung eben so herrlich gesorgt seyn? Warlich ihre Vorsorge für die unvernünftige Thiere beweißt das Gegentheil.

Eine unbestrichene in Bewegung gesetzte Magnet = Nadel, setzt sich blos durch den Zufall wieder in eine bestimmte Lage, hingegen die bestrichene vom nemlichen Stoß bewegte, wird nach verschiedenen, dem Stoß und der mitgetheilten magnetischen Krafft proportionirten Schwingungen ihre erste Lage wieder finden, und denn stille stehen. Eben so ungewiß, wird, nach meiner ersten Voraussetzung, die einmal gestöhrte Harmonie organischer Körper wieder hergestellt, wenn es nicht durch ein allgemein wirkendes bestimmtes Principium geschieht, von dessen Daseyn ich überzeugt bin. Diß allein kann diese Harmonie wieder in ihren natürlichen Zustand versetzen. Man fand aber auch, daß Krankheiten, bald ohne, bald beym Gebrauch der Arzney = Mittel, bey verschiedenen Systemen, bey völlig sich entgegen gesetzten Methoden, oft gefährlicher, oft gehoben wurden. Diese Betrachtungen überzeugten mich vollends, es müsse in der Natur ein allgemein wirkendes Principium vorhanden seyn, welches, ohne unser Zuthun das verrichtet, was wir sehr unbestimmt der Kunst und der Natur zuschreiben. Dergleichen Betrachtungen entfernten mich nach und nach von der alltäglichen Strasse. Ich unterwarf meine Ideen einer zwölfjährigen Erfahrung, die ich den genauesten Beobachtungen aller Arten von Krankheiten widmete, und hatte endlich das Vergnügen, die von mir vermuthete Grundsätze ohne Ausnahme bestättigt zu sehen.

Vorzüglich übernahm ich in den Jahren 1773 und 1774 die Besorgung der 29 jährigen Jungfer Oesterlin, welche schon viele Jahre von den Gichtern geplagt wurde. Die schlimmsten Zufälle bey ihr waren, daß das Blut ungestümm in den Kopf drang, und die fürchterlichste Zahn = und Ohren = Schmerzen verursachte, welche mit Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmächten verbunden waren. Diß war für mich die beste Gelegenheit, mit der größten Genauigkeit die Art von Ebbe und Fluth, welche der thierische Magnetismus im menschlichen Körper verursachet, zu beobachten. Oft zeigten sich bey der Kranken sehr heilsame Crisen, worauf beträchtliche Erleichterung folgte, aber sie dauerten nur einige Augenblicke, und blieben immer unvollkommen. Die Begierde den Grund dieser Unvollkommenheit zu entdecken, und meine ununterbrochene Beobachtungen führten mich nach und nach so weit, daß ich die Wirkungen der Natur einsah, genug entdeckte, um voraus mit voller Gewißheit, die abwechselnde Gänge dieser Krankheit bestimmen zu können. Aufgemuntert durch diesen ersten glücklichen Erfolg, zweiffelte ich nicht an der Möglichkeit, es biß zur Vollkommenheit zu treiben, wenn ich so glücklich wäre, die Entdeckung zu machen: Daß in denen auf unserer Erde befindlichen Körpern, auch eine wechselsweise, dem Einfluß der Himmels = Körper ähnliche Einwirkung statt finde, die mich in Stand setzen könnte, durch die Kunst, die periodische Ebbe und Fluth, wovon ich bereits gesprochen, nachzuahmen.

Ich hatte vom Magnet die gewönliche Känntnisse. Seine Wirkung auf das Eisen, die Möglichkeit, diß Mineral mit unsern Säfften zu verbinden, die verschiedene in Frankreich, Teutschland und Engelland bey Magen = und Zahnschmerzen damit gemachte Versuche, waren mir bekannt. Diß alles, die Aehnlichkeit dieser Materie mit meinem allgemeinen System, machten, daß ich den Magnet als das schicklichste Mittel zu dergleichen Versuchen ansähe. Mich davon durch Erfahrungen zu überzeugen, bereitete ich die Kranke, wenn sie von ihren Anfällen frey war, durch anhaltenden Gebrauch der Eisen = Mittel, dazu vor. Nun stund ich mit dem Jesuiten, Herrn Pater Hell, Professor der Astronomie in freundschafftlichen Verbindungen. Ich bat ihn daher, mir durch seinen Künstler, einige Magneten verfertigen, aber ihnen eine zu meinem Gebrauch schickliche Figur geben zu lassen. Hell sagte ja, und versprach mir sie zu schaffen.

Den 28ten Julius 1774. bekam die Kranke aufs neue einen ihrer gewöhnlichen Anfälle, und ich brachte bey ihr drey künstliche Magnete, einen auf dem Magen, zween auf den beyden Füßen an. Diß verursachte ihr, in sehr kurzer Zeit, ausserordentliche Empfindungen. Sie fühlte, innerlich, ein schmerzhaftes Ströhmen einer sehr feinen Materie, welches sich bald da, bald dorthin, endlich aber in die untere Theile des Körpers zog, und sie 6 Stunden von allen fernem Anfällen befreyte. Die Lage der Kranken veranlaßte mich, den folgenden Tag, den nemlichen Versuch zu machen, und er glückte mir wie das erstemal. Die Beobachtung dieser Wirkungen, verbunden mit meinem allgemeinen System, gab mir ein neues Licht, bestättigte meine vorhergehende Gedanken, von dem Einfluß eines allgemein würkenden Principiums, überzeugte mich, daß ein vom Magnet ganz verschiedener Stof, (dann er für sich kann unmöglich auf diese Art auf die Nerven wirken) ihn wirksam mache, daß ich nur noch einige Schritte bis zu meiner Nachahmungs = Theorie, dem Gegenstand meiner Untersuchungen, zu thun hätte.

Einige Tage darauf, begegnete ich Herrn Pater Hell, sprach mit ihm unter ändern, von der Besserung meiner Kranken, den guten Wirkungen meines Verfahrens und der Hofnung die ich daraus schöpfte, bald ein Mittel gegen die Nerven = Krankheiten zu entdecken. Kurz darauf erfuhr ich durchs Publicum und die Zeitungen, daß Herr Hell seinen berühmten astronomischen Namen mißbrauchte, sich eine Entdeckung zueignete, deren Natur und Vorzüge er nicht kannte, ja so gar sich erkühnte bekannt zu machen: Er habe ein Mittel erfunden, die gefährlichste Nerven = Krankheiten durch den Magnet zu heilen, dann ihm und seiner besondern Figur schrieb er diese hierinnen vorzügliche Krafft zu. Diesem Einfall ein desto grösseres Gewicht zu geben, schickte Er an verschiedene Akademien ganze Sammlungen künstlicher Magnete von mancherley Figuren, und bestimmte nach ihrer Figur die Aehnlichkeit, welche sie mit verschiedenen Krankheiten haben sollten. Man höre ihn selbst: "Ich entdeckte, in diesen, dem magnetischen Wirbel ähnlichen Figuren, eine Vollkommenheit, von welchen ihre specifische Krafft gegen die Krankheiten abhänget. Der Mangel dieser Vollkommenheit machte, daß die in Frankreich und Engelland damit angestellte Versuche, nicht glücklich ausfielen." Ja er stellte sich, als ob er die äusserliche Gestalt der Magnete, mit der Entdeckung, wovon ich mit Ihm gesprochen hatte, verwechselte und schloß: "Er habe alles den Aerzten, vorzüglich mir bekannt gemacht, und würde sich meiner ferner zu seinen Versuchen bedienen."

Hell schrieb verschiedenes über diesen Gegenstand, und dadurch verbreitete sich in dem, nach einem specifischen Mittel gegen die Nerven = Krankheiten äusserst begierigen Publicum, die ungegründete Meynung: Daß die ganze Entdeckung in dem Gebrauch des Magnets bestehe. Nun schrieb ich zwar, um diesen Irrthum zu zerstöhren: Vom wirklich vorhandenen, wesentlich vom Magnet verschiedenen thierischen Magnetismus. Allein das von dem berühmten Hell eingenommene Publicum, blieb auf seiner irrigen Meynung.

Ich setzte meine Versuche bey verschiedenen Krankheiten fort, um meine Einsichten allgemeiner, ihre Anwendung vollkommener zu machen. Weil ich nun den Herrn Baron von Störk, Präsidenten der Medicinischen Facultät zu Wien und Kayserlichen Ersten Leibarzt genau zu kennen die Ehre hatte, es auch überdiß sehr schicklich war, Ihn genau von der Natur und dem Gegenstand meiner Entdeckung zu benachrichtigen; so erklärte ich Ihm alle kleine Umstände meiner Bemühungen, vorzüglich aber die Mittheilung und das Ströhmen der thierisch magnetischen Materie, bat ihn, sich selbst davon zu überzeugen, mit der Versicherung: Daß ich ihm in der Folge genaue Nachricht, von dem Fortgang meiner neuen Entdeckungen geben, ja Ihn desto gewisser von meiner Anhänglichkeit an Ihn zu überzeugen, alle meine Handgriffe, ohne einiges Zurückhalten, mittheilen würde. Aber die natürliche Forchtsamkeit dieses Arztes, vielleicht von Bewegungs = Gründen unterstützt, die ich nicht untersuchen mag, ließ Ihn mir antworten: Er verlange von allem, was ich ihm hier sagte nichts zu wissen, und riethe mir, die Facultät, durch Bekanntmachung dieser Neuerungen, nicht mit ins Spiel zu ziehen.

Titelblatt des Buches Schreiben über die Magnetkur von Herrn A. Mesmer, Doktor der Arznengelährtheit an einen auswärtigen Arzt
Titelblatt des Buches Schreiben über die Magnetkur von Herrn A. Mesmer, Doktor der Arznengelährtheit an einen auswärtigen Arzt

Nun veranlaßten mich die vorgefaßte Meynungen des Publicums und dessen Ungewißheit wegen der Beschaffenheit meiner Mittel, den 5ten Jenner 1775, ein Schreiben an einen auswärtigen Arzt bekannt zu machen,2worinn ich meine Theorie, und den bißherigen und vermuthlich noch zu hoffenden Erfolg, bestimmt, entwickelte. Ich beschrieb die Natur, Wirkung und Aehnlichkeit der Eigenschafften des thierischen Magnetismus, mit dem Magnet und der Elecktricität, mit dem Beysatz: "Es sind also alle Körper, so gut als der Magnet, der Mittheilung dieses magnetischen Principiums fähig, diese Flüssigkeit durchdringt alles, läßt sich wie die elecktrische anhäuffen und verstärken, und wirkt auch in der Entfernung. Es giebt zweyerley lebendige Körper. Einige sind dieses Magnetismus fähig, andere haben eine entgegen gesetzte Krafft, welche seine Wirkung hindert." Kurz ich erzählte die verschiedene Wirkungen, und unterstützte meine Sätze durch die Erfahrungen, die mich veranlaßt hatten, sie zu behaupten.

Kurz vor der Bekanntmachung dieses Briefs, erfuhr ich, daß Herr Ingenhaus, Mitglied der Königlichen Akademie in Londen und Pokken = Einimpfer in Wien, der dem Adel und ändern Standes = Personen, durch Versuche mit der verstärkten Elecktricität, und durch manche angenehme Veränderungen der magnetischen Wirkungen, viel Vergnügen gemacht, sich aber dadurch den Namen eines Naturforschers erworben hatte, daß dieser Herr Ingenhaus, als Er von meinen Curen gehört, sie für Grillen erklärt habe, ja so weit gegangen seye zu behaupten: "Nur das Genie eines Engelländers seye im Stand eine solche Entdeckung zu machen, wenn sie ja möglich seyn sollte." Er besuchte mich, nicht in der Absicht sich besser zu unterrichten, sondern einig mich zu überzeugen, daß ich Gefahr liefe zu irren, und die Bekanntmachung gänzlich verhindern müßte, wann ich nicht, wie es sonst gewiß geschehen würde, lächerlich werden wollte.

Ich versetzte: Er hätte nicht genug Känntnüsse von dieser Sache um mir so rathen zu können, und ich würde mir ein Vergnügen daraus machen, Ihn bey der ersten Gelegenheit hievon zu überzeugen. Diese zeigte sich gleich nach zween Tagen. Jungfer Oesterlin stand einen Schrecken und Verkältung aus, welche Ihr ein plötzliches Aussenbleiben der monatlichen Reinigung verursachten, und nun waren die ersten gichtenschen Zufälle wieder da. Ich bat Herrn Ingenhaus zu mir. Er kam mit einem jungen Arzt, und die Kranke lag, eben, von den Gichtern überfallen, in Ohnmacht. Ich sagt' ihm, diß wäre gerade die beste Gelegenheit, sich selbst, von der Wirklichkeit, des von mir behaupteten Principiums, und von dessen Mittheilbarkeit, überzeugen.

Ich entfernte mich von der Kranken, hieß ihn sich nähern und sie anrühren, und sie regte sich nicht. Ich bat Ihn wieder zu mir zu kommen, theilte ihm, durch Anfassen seiner Hände, die magnetische Krafft mit, blieb immer von der Kranken entfernt, Ihn aber ersuchte ich, sich ihr noch einmal zu nähern und sie anzurühren, worauf gichterische Bewegungen erfolgten. Oefters berührte Er sie auf diese Art mit der Spitze seines Fingers, bald nach der, bald nach jener Richtung, und immer, würkte diß, zu seinem grossen Erstaunen, in dem angerührten Theil Zuckungen. So bald diß vorbey war, gestund Er mir: Er seye überzeugt.

Ich aber schlug ihm eine zwote Probe vor. Wir entfernten uns so von der Kranken, daß sie uns nicht hätte sehen können, wann sie auch bey sich selbst gewesen wäre. Ich gab Herrn Ingenhaus sechs porcellain Tassen, mit dem Ersuchen, selbst zu bestimmen, welcher ich die magnetische Krafft mittheilen sollte. Die von ihm gewählte, rührte ich an, ließ ihn eine nach der ändern von diesen 6 Tassen, an die Hand der Kranken bringen, und als man an die von mir berührte kam, bewegte sich ihre Hand mit Zeichen des Schmerzens. Ingenhaus wiederhohlte den Versuch mit allen sechs Tassen, und fand immer die nemliche Wirkung.

Man setzte hierauf die Tassen wieder an ihren vorigen Ort, und nach einer kleinen Weile, ergriff ich seine eine Hand, und bat Ihn mir der ändern, welche er wollte von den Tassen anzurühren. Er thats, man brachte, wie vorher, dieselbige an die Kranke, und auch hier erfolgte die vorige Wirkung.

Nun war Herr Ingenhaus, durch seine eigene Augen, von der Mittheilbarkeit des Magnetismus überzeugt, und ich schlug Ihm den dritten Versuch vor, um Ihm die Wirkung desselben in die Ferne und seine durchdringende Stärke zu zeigen. In dieser Absicht, streckt ich, in einer Entfernung von acht Schritten, meinen Finger gegen die Kranke aus, und den Augenblick darauf bekam sie so starke, mit anscheinenden Schmerzen begleitete gichterische Zuckungen, daß sie beynahe im Bett in die Höhe geworfen wurde. Ich fuhr fort, stellte aber Herrn Ingenhaus zwischen mich und die Kranke, und sie bekam die nemliche Anfälle. Diese Proben wurden, so oft Herr Ingenhaus verlangte, wiederholt, worauf ich Ihn fragte: Ob Er zufrieden, und von den wunderbaren Eigenschafften des thierischen Magnetismus, die ich Ihm voraus gesagt hätte, überzeugt seye? Widrigenfalls war' ich erbötig, alles noch einmal zu wiederholen. Er versetzte: Vollkommen, ich bin überführt, aber ich bitte Sie, aus Freundschaft: Machen Sie dem Publicum nichts davon bekannt, damit Sie Sich nicht seinem Unglauben blos stellen. Wir schieden von einander, ich setzte mit der Kranken die Behandlung mit so glücklichem Erfolg fort, daß sich am nemlichen Tage die Reinigung wieder einfand, und dadurch alle, von der Unterdruckung derselbigen veranlaßte Zufälle, gehoben wurden.

Zwey Tage darauf hört' ich mit Erstaunen, daß Herr Ingenhaus im Publicum gerade das Gegentheil von dem behauptete, was er gegen mir erklärt hatte, den glücklichen Erfolg, aller der Versuche, wovon er ein Augenzeuge gewesen war, läugnete, den thierischen Magnetismus vorsetzlich mit dem gewöhnlichen Magnet vermengte, und meinen Ruf durch das Vorgeben zu kränken suchte: Er seye so glücklich gewesen, durch Hilfe vieler Magneten, womit er sich vorhin versehen hätte, mir die Larve wegzunehmen, zu entdecken: Daß alles, nichts als eine lächerliche abgeredte Betrügerey seye. Ich gestehe es, kaum könnt' ich diß alles anfänglich glauben, es geschah mir sauer, Herrn Ingenhaus vor den Urheber dieses Gerüchts zu halten. Aber sein genauer Umgang mit dem Jesuiten Hell, die abgeschmackte Schrifften des letztern, um dergleichen ärgerliche Behauptungen zu unterstützen, und die Wirkungen meines Schreibens vom 5ten Jenner zu vereiteln, erlaubten mir nicht mehr Herrn Ingenhaus für unschuldig zu halten.

Ich widerlegte den Pater Hell, und war im Begriff ihn zu verklagen, als Jungfer Oesterlin Herrn Ingenhausens Verfahren erfuhr, und sich so sehr darüber ärgerte, daß man sie auf diese Art beschimpft hatte, daß sie noch einmal ihre vorige Zufälle, und überdiß ein schlimmes Nervenfieber bekam. Ihre Lage zog, meine ganze Aufmerksamkeit, 15 Tage, auf sich. Und gerade dieser Umstand, der mich veranlaßte, meine Untersuchungen fortzusetzen, verschaffte mir das Glück, alle mir im Weg liegende Schwierigkeiten zu überwinden, meiner Theorie die selbst gewünschte Vollkommenheit zu geben. Die erste Frucht davon war, die vollständige Genesung dieser Jungfer, und ich hatte das Vergnügen, sie, seit diesem Vorfall vollkommen gesund, verheyrathet und mit Kindern gesegnet zu sehen.

Inzwischen entschloß ich mich auch in diesen fünfzehn Tagen mein Betragen zu rechtfertigen, dem Publicum einen richtigen Begriff von meinen Mitteln zu geben, und die Aufführung des Herrn Ingenhaus jedermann vor Augen zu legen. Ich gab Herrn von Störk von allem Nachricht, bat Ihn, Befehle vom Hof, zu einer Commission, von Seiten der medicinischen Facultät, auszuwirken, welche alle diese Thatsachen untersuchen, bestättigen und bekannt machen sollte. Mein Betragen schien dem Präsidenten der Aerzte angenehm, und Er Theil an meiner Gedenkungsart zu nehmen. Er versprach mir, so, wie ich wünschte zu handlen, nur bedung er sich nimmer aus, kein Mitglied von der Commission zu seyn. Oefters schlug ich Ihm vor, die Jungfer Oesterlin zu sehen, und sich selbst von dem Erfolg meiner Cur zu überzeugen. Aber hierauf antwortete Er immer unbestimmt und unentscheidend. Ich machte Ihm die Vorstellung, wie vortheilhafft für die Menschheit, die Einführung meiner Methode in den Hospitälern werden müßte, und bat um die Erlaubnus den Nutzen derselben in dem Spanischen zu zeigen. Diß bewilligte Er, und ertheilte Herrn Reinlein dem Arzt dieses Hauses die nöthigen Befehle. Acht Tage war dieser letztere ein Zeuge von den Wirkungen und dem Nutzen meiner Besuche, bezeugte mir oft sein Erstaunen, und gab Herrn von Störk Nachricht davon. Aber bald bemerkt' ich, daß man Herrn von Störk anders gestimmt hatte. Ich sah Ihn fast täglich, um mein Gesuch wegen der Commission zu erneuren, und Ihn an die wichtige Dinge, wovon ich Ihn unterhalten hatte, zu erinnern. Aber ich beobachtete von seiner Seite nichts als Gleichgültigkeit, Kälte und Abneigung gegen alles, was einigen Bezug auf diesen Gegenstand hatte. Da ich nun nichts ausrichten konnte, Herr Reinlein mir keine Nachrichten mehr gab, und anderswo erfuhr, daß diß veränderte Betragen, eine Folge von Herrn Ingenhausens Bemühungen war; so fühlt ich mein Unvermögen, den Wirkungen der heimlich entworfenen Maasregeln zu widerstehen, und nahm mir vor zu schweigen.

Ingenhaus aber, durch den Erfolg seiner Bemühungen kühn gemacht, trieb es immer ärger, machte sich ein Verdienst aus seinem Unglauben, und brachte es in kurzer Zeit so weit, daß man alle für schwache Köpfe hielte, welche ihr Urtheil aufschoben, oder nicht dem seinigen beytratten. Mehr war freylich nicht nöthig die Menge abwendig zu machen, und mich, aufs gelindeste, für einen Träumer zu erklären, um so mehr, da die Gleichgültigkeit der Facultät diese Meynung unterstützte. Am seltsamsten aber kam es mir vor, daß im folgenden Jahr, Herr Klinkosch, Professor der Medicin in Prag, sich auf die Seite meiner Gegner schlug. Dieser hatte, ohne mich zu kennen, ohne einen Begriff von dem, wovon eigentlich die Frage war, zu haben, (um mich nicht stärker auszudruken) die Schwachheit, in öffentlichen Schafften,3 die seltsame Erzählung von angeblichen Betrügereyen, die Herr Ingenhaus auf meine Rechnung verbreitet hatte, zu unterstützen.

Damals mochte das Publicum davon denken, was es wollte, so glaubt' ich doch, daß die Wahrheit nicht besser, als durch That = Sachen könnte vertheidigt werden. Ich machte mich an die Cur verschiedener Krankheiten, unter ändern einer Hemiplygie die eine Folge einer Apoplygie war, an unterdruckte monatliche Reinigungen, Blut = Erbrechen, häufige Colicken, durch gichterische Bewegungen, von Kindheit an unterbrochenen Schlaf, der mit Blutspeyen und anhaltenden Augenschmerzen verbunden war. An dieser letzten Krankheit litte der so berühmte Herr Bauer, Professor der Mathematick zu Wien. Der glücklichste Erfolg krönte meine Bemühungen, und Herr Bauer hatte die Güte, selbst eine umständliche Erzählung seiner Genesung dem Publicum vorzulegen. Aber die Vorurtheile waren schon zu rief eingewurzelt. Inzwischen hatte ich das Vergnügen, daß mich ein grosser Minister, ein geheimer Rath und ein Hofrath sehr genau kennen lernten, wahre Menschen = Freunde, welche, da sie die Wahrheit unterstützten und vertheidigten, sie selbst erkannten, und verschiedene Versuche machten, das Dunkel, worein man sie zu hüllen suchte, zu zerstreuen: Aber man wies sie immer unter dem Vorwand ab: Der Ausspruch der Aerzte seye allein fähig hierinnen zu entscheiden. Ihre beste Absichten konnten also weiter nichts, als mir anbieten: Sie wollten meine Schrifften in fremden Ländern so bekannt machen, als es meine Lage erforderte.

Auf diese Art kam mein Schreiben vom 5ten Jenner 1775 in die Hände der meisten Akademien der Wissenschafften und einiger anderer Gelehrten. Die einige Berliner Akademie antwortete den 24ten Merz im nemlichen Jahr, schrifftlich. Weil sie aber die Eigenschafften des von mir beschriebenen thierischen Magnetismus, mit den Eigenschafften des gewöhnlichen Magnets, den ich doch nur als einen Leiter angebe, verwechselte, so gerieth sie in verschiedene Irrthümmer, und erklärte sich: Ich müßte mich selbst getäuschet haben.

Sie begieng aber nicht allein diesen Irrthum den thierisch und mineralischen Magnetismus zu verwechseln, ohngeachtet ich in allen meinen Schrifften ausdrücklich gezeigt hatte, daß der Gebrauch des letztern zwar nützlich, aber doch ohne die Theorie des erstem immer unvollkommen seye. Naturkundiger und Aerzte, mit denen ich im Briefwechsel stund, oder die mir meine Entdeckung für sich abzulocken suchten, behaupteten, und gaben sich alle Mühe es auszubreiten, entweder, daß ich alles durch den gewöhnlichen Magnet verrichte, oder daß ich die Electricität damit verbinde, blos weil man wußte, daß ich von beyden Gebrauch gemacht hatte. Nun belehrte zwar die meiste ihre eigene Erfahrung von ihrem Irrthum. Statt aber der von mir beschriebenen Wahrheit beyzufallen, schlössen sie: Weil sie durch diese beyde Mittel nichts ausrichteten, die von mir beschriebene Curen müßten erdichtet, meine Theorie ein täuschendes Hirngespinst seyn. Um nun auf immer dergleichen ähnliche Irrthümer unmöglich zu machen, und die Wahrheit in das gehörige Licht zu setzen, entschloß ich mich, seit 1776, gar keinen Gebrauch mehr, weder von der Elecktricität noch dem gewöhnlichen Magnet zu machen.

Die schlechte Aufnahme meiner Erfindung, und die wenige Hofnung, daß es künftig besser gehen würde, bewog mich, gar keinen öffentlichen Versuch mehr in Wien zu machen. Ich reisete nach Schwaben und in die Schweitz, mich selbst durch Thatsachen immer mehr von der Wahrheit zu überführen, meine Erfahrungen zu vermehren. Und wirklich hatt' ich das Vergnügen viele auffallende Curen in Schwaben, aber auch in Bern und Zürich, unter den Augen der Aerzte, in den Hospitälern, zu verrichten, welche Ihnen nicht den geringsten Zweiffel über das Daseyn des thierischen Magnetismus, und den Nutzen meiner Theorie übrig liessen, auch den Irrthum, worein sie meine Gegner schon verleitet hatten, völlig zerstreuten.

Ein gewisser ehrlicher, aber allzueifriger Geistlicher,4 brachte, in den Jahren 1774 und 1775 in dem Regensburger Kirchsprengel, bey mehreren Kranken die an den Nerven litten, Wirkungen hervor, welche in den Augen der uneingenommensten aufgeklärtesten Personen dieser Gegend übernatürlich schienen. Sein Ruf verbreitete sich biß nach Wien, und da war man in zwo Parthien getheilt. Die eine gab alles für Betrügereyen und Blendungen aus, die andere für Wunder der göttlichen Allmacht. Beyde irrren und mich lehrte, von der Zeit an, meine Erfahrung, daß dieser Mann nichts als blosses Werkzeug der Natur war. Sein Stand und ein glückliches Ungefähr, vereinigten in ihm gewisse natürliche Verbindungen, daß Er die periodische Zufälle dieser Krankheiten erwecken konnte, ohne die wirkende Ursache zu kennen. Man sahe das Aufhören der Anfälle als vollendete wirkliche Curen an, und die Zeit allein konnte dem Publicum seinen Irrthum benehmen.

Als ich gegen das Ende 1775 Jahrs nach Wien zurück reisete, gieng ich durch München. Hier hatten Ihro Durchlaucht der Churfürst von Bayern5 die Gnade, mich über diese Materie zu fragen, Sie wollten wissen: Ob ich Ihnen diese angebliche Wunder erklären könnte? Ich machte auch vor seinen Augen Versuche, welche Ihm alle Vorurtheile benahmen, und nicht den geringsten Zweifel, gegen die von mir behauptete Wahrheiten übrig liessen, und kurz darauf erwieß mir, die Münchner Akademie der Wissenschafften, die Ehre, mich unter ihre Mitglieder aufzunehmen.

Im Jahr 1776 reisete ich zum zweyten mal nach Bayern, und war in der Cur verschiedener Krankheiten eben so glücklich, als das erstemal. Vorzüglich aber bey Herrn von Osterwald, Direcktor der Akademie der Wissenschafften in München, der lahm war, und einen unvollkommenen Staar hatte. Er war so gütig, dem Publicum hievon und von ändern Curen, die er mit angesehen hatte, Nachricht zu geben.6 Da ich nach Wien zurück kam, blieb ich, biß ans Ende des nemlichen Jahrs, bey meinem Vorsatz, nichts mehr zu unternehmen, ich würde auch denselben nicht geändert haben, wann sich nicht alle meine Freunde dagegen vereinigt hätten. Ihr Bitten, mein Verlangen, die Wahrheit siegen zu sehen, machten mir Hoffnung, durch einen neuen glücklichen Erfolg, vorzüglich aber durch eine auffallende Cur, meinen Wunsch zu erreichen. In dieser Absicht nahm ich, nebst ändern Kranken, die 18jährige Jungfer Paradis deren Eltern bekannt genug sind, in die Cur, Ihro Kayserlich Königl. Majestät kannten sie selbst, dann sie erhielte, seit ihrem 4tenjahr, als eine stockblinde Person, von Ihrer hohen Milde, ein Gnadengehalt. Diese Jungfer hatte einen vollkommenen Staar und Gichter in den Augen, war melancholisch, und litte an Verstopfungen der Milz und Leber, die Ihr öfters solche Anfälle von Wahnsinn und Wuth zuzogen, daß man sie beynahe für gänzlich toll halten mußte.

Ueberdiß nahm ich eine gewisse Zwelferinn von 19 Jahren, in die Cur. Sie war vom zweytenjahr an blind, hatte den Staar, ein runzlichtes sehr dickes Fell auf den Augen, und der Augapfel war ganz geschwunden. Zudem wurde sie von einem periodischen Blutspeyen öfters angefallen. Dieses Mädgen erhielt ich aus dem Wienerischen Waysenhaus, und zugleich von den Aufsehern desselben ein Zeugnis ihrer Blindheit.

Die dritte Kranke, deren Besorgung ich zugleich übernahm, war Jungfer Ossine von 18 Jahren, die auch, als die Tochter eines Kayserlichen Officiers von Ihro Kays. Königl. Majestät ein Gnadengehalt bezog. Sie war schwind= und Lungensüchtig, sehr melancholisch, hatte oft Gichter, Toben, Erbrechen, Blutspeyen und Ohnmächten. Diese drey Kranke, befanden sich, so wie die andere, in meinem Haus, um sie ununterbrochen nach meiner Art besorgen zu können. Und ich war so glücklich, sie alle drey herzustellen.

Die Eltern der Jungfer Paradis, waren Zeugen ihrer Genesung, des immer zunehmenden Gebrauchs ihrer Augen, und bemüheten sich diesen Vorgang und ihre Freude überall zu verbreiten. Alles überlief mich, sich davon zu überzeugen, jederman setzte die Kranke auf eine Art von Probe, und gieng voll Verwunderung, mit den verbindlichsten Ausdrücken gegen mich, aus meinem Hause.

Auf wiederholtes Bitten des Herrn Paradis, kamen die beyde Präsidenten der medicinischen Facultät, an der Spitze einiger von derselben Abgeordneten, zu mir, untersuchten die Kranke und vereinigten ihren lauten Beyfall mit der Stimme des Publicums. Herr von Störk, einer von diesen Herren, der diese Jungfer persönlich kannte, weil er sie zehn Jahre ohne einigen Erfolg, in der Cur gehabt hatte, bezeugte mir sein Vergnügen über eine so wichtige Heilung, und bedauerte, daß er so lange gezögert hätte, durch seinen Beyfall diese wichtige Erfindung zu begünstigen. Noch mehrere Aerzte folgten dem Beyspiel unserer Oberhäupter, u. gaben der Wahrheit ihren freudigen Beyfall.

Nach allen diesen unverwerflichen glaubwürdigen Vorfällen, suchte mir Herr Paradis seine Dankbarkeit zu bezeugen, und machte die ganze Geschichte, durch seinen eigenen Aufsatz in ganz Europa bekannt. Er rückte, um diese Zeit, die wichtigste Umstände, von der Genesung seiner Tochter, in alle öffentliche Blätter ein.

 

[Die Abhandlung von Mesmer wird nach dem Anhang fortgesetzt] 

* * *

 

Anhang

Die versprochene, vom Herrn Paradis selbst, aufgesetzte Kranken = Geschichte seiner Tochter. Ich liefere hier einen getreuen Auszug aus der vom Vater selbst, in deutscher Sprache aufgesetzten Erzählung. Er schickte sie mir im Merz 1777, um sie bekannt zu machen, und wirklich liegt sie vor mir. So weit Herr Mesmer.

Marie Therese Paradis, einige Tochter des Kays. Königl. Secretars, Herrn Paradis, wurde den 15 May 1759. in Wien, mit vollkommenen gesunden Augen, gebohren. Den 9ten Decemb. 1762. entdeckte man, bey ihrem Aufstehen, daß sie nicht mehr sahe. Ihre Eltern erstaunten und betrübten sich desto mehr über diesen plötzlichen Zufall, da man, so lang sie auf der Welt war, keine Veränderung an ihren Augen bemerkt hatte. Es war ein vollkommener Staar, der vermuthlich, durch eine zurückgeschlagene Feuchtigkeit oder Verkältung entstanden, indem das Kind, in der nemlichen Nacht, durch einen, vor seiner Kammerthüre entstandenen Lärmen vielleicht veranlasset worden, sich derselben auszusetzen.

Ihre untröstliche Eltern, wandten den Augenblick, alles an, was man nur für das dienlichste hielte, diesen Zufall zu heben, z.E. Blasenpflaster, Blutigel und Fontanelle. Ja man trieb das erste Mittel so weit, daß in Zeit von zween Monaten der ganze Kopf mit einem einigen Pflaster bedeckt war, welches eine ununterbrochene Eiterung unterhielte. Hiermit verband man mehrere Jahre den Gebrauch abführend und eröfnender Mittel, wie auch der Pulsatille7 und Baldrian Wurzel. Aber alle diese Mittel halfen nichts, die Kranke bekam Gichter in den Augen und den Augenliedern die auf das Gehirn und hierdurch ein Rasen wirkten, welches eine völlige Verrückung besorgen ließ. Die Augen fiengen an zum Kopf heraus zu stehen und waren so verdreht, daß man oft nichts als das Weise davon sahe, welches alles, mit den Gichtern verbunden, einen scheußlichen fast unausstehlichen Anblick verursachte. Vor einem Jahr, nahm man seine Zuflucht zur Elektricität, welche an ihren Augen mit mehr als 3000 Erschütterungen, oft 100 nach einander, angebracht wurde. Aber diß letzte Mittel hatte traurige Würkungen. Es vermehrte ihre Reitzbarkeit und Gichter dermassen, daß man nur durch oft wiederholtes Aderlassen vorbeugen konnte.

Bey dem letzten Aufenthalt des Herrn Baron von Wenzel in Wien, geruhten Ihro Majestät die Kaiserinn Königinn, Ihm den Auftrag zu ertheilen, den Zustand meiner Tochter zu untersuchen, und ihr, wo möglich, zu helfen. Er thats, erklärte aber auch, daß Er sie für unheilbar halte. Dieser schmerzhaften Lage ungeachtet, trachteten die Eltern ihr die beste Erziehung zu geben, und sie in ihrem Leiden zu zerstreuen. Sie brachte es weit in der Tonkunst, und ihre Geschicklichkeit auf der Orgel und Clavier, verschaffe ihr das vorzügliche Glück der Kayserinn Königinn persönlich bekannt zu werden. Gerührt durch ihr Unglück, setzten ihr, Ihro Majestät ein Gnadengehalt aus.

Nun beobachtete, der, seit einigen Jahren, durch die Entdeckung des thierischen Magnetismus bekannte Herr D. Mesmer, ein Zeuge der ersten Curen, welche man mit ihr in der Kindheit vorgenommen hatte, diese Kranke, eine Zeitlang mit einer besondern Aufmerksamkeit. Er erkundigte sich nach allen Umständen, womit die Krankheit verknüpft gewesen war, und den Mitteln, deren man sich bisher bedienet hatte. Das, was er am meisten mißbilligte, und ihn am stärksten zu beunruhigen schiene, war die Art, wie man die Elektricität bey ihr angewendet hatte.

Ungeachtet des hohen Grads auf welchen die Krankheit gestiegen war, machte Er doch ihren Eltern Hofnung: Daß er ihren Augen wieder die natürliche Lage verschaffen, die Gichter stillen, und die Schmerzen lindern wollte. Und ungeachtet man nachher erfuhr, daß er sich schon damals Hofnung gemacht hatte, ihr wieder zum Gesicht zu verhelfen, so ließ Er doch die Eltern nicht das mindeste davon merken, dann diese hatten, durch ihre unglückliche Versuche und ausgestandenen Jammer bewogen, sich entschlossen, in einer Sache, die sie für unmöglich hielten, gar nichts mehr zu versuchen. Herr Doct. Mesmer fieng seine Cur den 20ten Januar dieses Jahrs an. Ihre erste Wirkungen waren: Hitze im Kopf und Röthe des Gesichts, auf diese folgte ein Zittern an Händen und Füssen nebst einem kleinen Zucken im Genick, welches den Kopf rückwärts zog, nach und nach zu nahmen, und sich mit den Gichtetn in den Augen vereinigte.

An dem 2ten Tag der Cur, brachte Herr Mesmer eine Wirkung hervor, welche alle Anwesende in die größte Verwunderung versetzte. Er saß neben der Kranken, und streckte sein spanisch Rohr, gegen das in einem gegenüberhangenden Spiegel sich zeigende Bild der Kranken aus. So wie er sein Rohr bewegte, bewegte sich auch der Kopf der Kranken, und diß so stark, daß derselbe, die verschiedene abgeänderte Bewegungen des Stocks, deutlich anzeigte.

Man bemerkte sehr bald, daß das Zucken der Augen ungemein merklich bald zu, bald abnahm, auf die häufigere äusserlich und innerliche Bewegungen derselben, folgte bißweilen eine gänzliche Ruhe, die am 4ten Tag Stand hielte, und da hatten die Augen ihre natürliche Lage wieder, wobey sich aber auch zeigte, daß das Linke kleiner als das Rechte war, doch wurden sie, bey fortgesetzter Cur einandet vollkommen gleich. Auch das Zittern der Glieder verlohr sich nach wenigen Tagen, allein sie fühlte einen den Kopf durchdringenden Schmerzen im Hinterhaupt, der sich, so wie er sich vorwärts zog, verstärkte, und als er den Theil, wo sich die Sehe = Nerven vereinigen, erreichte, glaubte Sie. 2 Tage lang, ihr Kopf würde sich in zwey Stücken theilen. Der Schmerz verbreitete sich längst den Sehe = Nerven, nach ihrer Beschreibung, wie Nadelstiche, die sich ihren Aufäpfeln näherten, sie durchbohrten, und indem sie sich auf der netzförmigen Haut ausbreiteten, vermehrten. Und diß Gefühl, war oft, von Erschütterungen begleitet.

Schon viele Jahre lang roch die Kranke nichts, es sonderte sich auch kein Rotz durch die Nase ab. Aber während der Cur schwoll das Innre der Nase und die benachbarte Theile, ja es floß innerhalb 8 Tagen, eine Menge grünen zähen Schleims heraus. Zur nemlichen Zeit stellte sich ein ausserordentlich starker Durchlauf ein, die Schmerzen der Augen nahmen zu, und sie klagte über Schwindel. Herr Mesmer schrieb diß den Eindrücken des Lichts zu, und nahm von dieser Zeit die Kranke in sein Haus, um die nothwendige Maasregeln aufs sicherste nehmen zu können. Ihre Augen wurden so empfindlich, daß er, ohngeachtet sie mit einem dreyfachen Tuch verbunden waren, sich doch genöthiget sahe, sie in einem finstern Zimmer wohnen zu lassen, und diß um so mehr, da der geringste Eindruck des Lichts, auf alle Theile ihres Körpers, eine so heftige Wirkung äusserte, daß sie davon niederstürzte. Der Schmerz in den Augen änderte allmählig seine Beschaffenheit. Anfänglich war er allgemein und höchstempfindlich, hierauf ein blosses lebhaftes Zucken, und endlich war es ihr bloß, als wenn man mit einem Pinsel sanft über das Aug wegführe.

Alle diese nach und nach erfolgte Wirkungen liessen Herrn Mesmer vermuthen, seine Cur dürfte weit genug vorgerückt seyn, um der Kranken die ersten Begriffe vom Licht und dessen Veränderungen geben zu können. Er nahm die Binde von ihren Augen, ließ sie in dem zimlich dunkeln Zimmer, sagte ihr aber zugleich: Sie möchte auf die Empfindungen ihrer Augen aufmerksam seyn, und legte ihr bald weise, bald schwarze Gegenstände vor. Die ersten, machten, nach ihrer Beschreibung, den nemlichen Eindruck auf sie, als wenn man ihre Augäpfel mit feinen Nadeln durchstäche, und diese schmerzhafte Empfindung pflanzte sich biß ins Gehirn fort, ja der Schmerz und die ihn begleitende Gefühle wuchsen oder verminderten sich nach dem Grad des Weisen, welches ihr vorgehalten wurde. Herr Mesmer nahm also alles Weise hinweg, und zeigte ihr nur schwarze Gegenstände.

Durch diese immer abwechselnde und entgegen gesetzte Wirkungen, überzeugte Er die Kranke: Daß der Grund ihrer Empfindungen in einer äusserlichen Ursache liege, daß sie eben deswegen, von denen bisher gefühlten sehr verschieden seyen, und so lehrte er sie den Unterschied zwischen Licht und Finsternis sowohl, als den Stuffen von beyden kennen. Er zeigte ihr ferner verschiedene Farben, und beobachtete nun eine sanftere Wirkung des Lichts, die einige bleibende Eindrücke zurücke ließ. Sie unterschied die Farben, und konnte sie vergleichen, aber nicht ihre Namen behalten, ungeachtet sie ein herrliches Gedächtnis hatte. Beym Anblick der schwarzen Farbe sagte sie ganz traurig, daß sie nichts mehr sähe, und sich dadurch an ihre vorige Blindheit erinnerte.

In den paar ersten Tagen, dauerte, der von einem erblickten Gegenstand, auf die netzförmige Haut gemachte Eindruck ungefehr eine Minute und wenn sie einen ändern davon unterscheiden, nicht mit dem ersten verwechseln wollte, so war sie genöthiget, die Augen, so lange der erste Eindruck dauerte, zu zuschliessen.

Sie sahe im Finstern, wo andere Personen mit Mühe etwas unterscheiden konnten, deutlich. Allein, diß verlohr sich, in dem Maas, wie ihre Augen mehr Licht ertragen lernten. Bißher waren die zur Bewegung des Augs bestimmte Muskeln von ihr nicht gebraucht worden. Man mußte sie also ihren Gebrauch kennen lernen, damit sie die Augen nach Gefallen bewegen, Gegenstände aufsuchen, erblicken, fest fassen, und ihre Lage beurtheilen lernte. Die hiebey nöthige unzählige Bemühungen, lassen sich nicht beschreiben, und es kostete desto mehr Schwierigkeit, da sie oft durch melancholische Anfälle, eine Folge ihrer Krankheit, unterbrochen wurden.

Den 9. Febr. machte Herr Mesmer den ersten Versuch ihr Figuren und Bewegungen zu zeigen. Er tratt selbst in einem etwas dunkeln Zimmer vor sie hin. Im Anfang erschrack sie über die menschliche Gestalt, die Nase kam ihr lächerlich vor, und mehrere Tage konnte sie dieselbe nicht ohne ein lautes Gelächter ansehen. Sie verlangte, einen Hund, der ihr sehr lieb war, zu sehen, und diß Thier gefiel ihr besser als der Mensch. Da sie von keiner Figur den Namen wußte, so zeichnete sie den Umriß sehr genau mit dem Finger. Am schwersten hielt es, ihr zu zeigen, wie sie das Gesehne befühlen und diese beyde Sinne mit einander verbinden müßte. Sie hatte gar keinen Begrif von der Entfernung, alles, es mochte so weit weg seyn als es wollte, hielt sie für gleich nahe, und die Gegenstände schienen sich ihr in dem Maas, zu vergrössern, wie sie sich ihnen näherte.

Die beständige Uebung, die sie anstellen mußte, ihre Ungeschicklichkeit zu verbessern, und die Menge von Dingen die sie zu lernen hatte, ärgerten sie oft so sehr, daß sie sich fast wünschte wieder blind zu seyn, um so mehr, da man, in diesem Zustand, ihre Geschicklichkeit und Klugheit bewundert hatte. Aber ihre natürliche Munterkeit überwand alles, und Herrn Mesmers unermüdete Sorgfalt, machte sie immer vollkommner. Allmählig lernte sie das volle Licht ertragen, und die Gegenstände in jeder Entfernung richtig unterscheiden. Nichts entgieng ihrem Blick, so gar in Miniatur = Gemählden, von denen sie die Züge und Stellung der Figuren nachahmte. Ja sie hatte die sonderbare Gabe, mit einer ausnehmenden Richtigkeit, den Charakter der Personen, welche sie sahe, aus ihren Gesichtszügen zu beurtheilen. Als sie des erstemal den gestirnten Himmel erblickte, zeigte sie Erstaunen und Bewunderung, und von diesem Augenblick an, schienen ihr alle Gegenstände, die man schön und angenehm nannte, weit unter dem Anblick der Sterne zu seyn, welchen sie einen ausserordentlichen Vorzug gab, und die sie mit ganz besonderem Vergnügen betrachtete.

Die Menge von allerley Personen, welche sie sehen wollten, ließ Herrn Mesmer besorgen, sie möchte sich allzusehr ermüden, und seine Klugheit nöthigte ihn deßwegen vorsichtige Maasregeln zu ergreiffen. Diß, und die Ungeschicklichkeit dieser jungen Person, machten sich seine Gegner zu Nutz, die Wirklichkeit seiner Cur in Zweiffel zu ziehen. Allein Herr Mesmer versichert, daß ihr Gesicht vollkommen hergestellt seye, und daß sie den Gebrauch desselben, durch anhaltende Uebung immer vollkommener machen werde.

 

* * * 

[Fortsetzung der Abhandlung von Mesmer]

Unter den Aerzten, welche ihre Neugierde zu befriedigen, mich besucht hatten, befand sich Herr Barth, Professor der Anatomie, der sich vorzüglich mit Augenkrankheiten und dem Staarstechen beschäfftigte. Er selbst hatte zweymal die Jungfer Paradis für sehend erklärt. Aber aus Neid erkühnte Er sich im Publicum auszustreuen: Sie sey noch blind, er habe sich selbst davon überzeugt, und unterstützte diß Vorgeben dadurch: Weil sie die Namen der ihr vorgelegten Dinge oft nicht wußte, oft verwechselte. Jedermann antwortete ihm: Er vergässe hier den nothwendigen Unterschied, den man zwischen Blindgebohrnen, oder die wenigstens in ihrer zarten Kindheit blind geworden wären, und zwischen Blinden, die erst nach mehrern Jahren vom Staar befallen, nachher aber durch die Kunst ihr Gesicht wieder erlangt hätten, machen müßte. Jene könnten unmöglich die Kenntnisse wie diese haben. Wie ists möglich, sagte man, daß ein Mann von Ihrem Handwerk so einen groben Irrthum begehen kann? Aber seine Unverschämtheit behauptete von allem gerade das Gegentheil. Das ganze Publicum mochte ihm noch so oft tausend Zeugen ihrer völligen Genesung anführen, er allein leugnete alles weg, und schlug sich also zu dem schon oben angeführten Herrn Ingenhaus.

Diese beyde Männer, welche anfänglich, von rechtschaffenen, vernünftigen Personen für seltsame Köpfe gehalten wurden, brachtens endlich doch so weit, daß sie, durch die Bemühungen des Partheygeistes, die Jungfer Paradis meiner Cur entrissen, ehe sie ihre Augen vollkommen brauchen gelernt hatte, verhinderten, daß sie Ihro Kayserlichen Majestät nicht, wie ich vorharte, vorgestellt wurde, und so wurde nun, dem verbreiteten Gerücht, daß alles Betrügerey gewesen, völlig Glauben beygemessen. Ja man machte, in dieser Absicht dem Herrn Paradis, durch die Furcht, er möchte das Gnadengehalt seiner Tochter verliehren, und hundert andere ihm versprochene Vortheile, den Kopf warm, biß er seine Tochter aus meinen Händen haben wollte. Diese aber, und ihre Mutter dachte eben so, weigerte sich, weil sie besorgte, daß ihre Genesung unvollkommen ausfallen möchte. Man drang in sie, diß widerwärtige Betragen erneuerte ihre gichterische Anfälle, und veranlaßte einen unglücklichen Rückfall, doch hatte derselbe keine Folgen auf ihr Gesicht, in dessen Gebrauch sie sich immer vollkommener zu machen suchte.

Kaum sahe sie ihr Vater besser, so erneuerte er, vom Partheygeist aufgehetzt, sein voriges Betragen, verlangte von mir mit Hitze seine Tochter, und zwang seine Frau sie mir abzufordern. Die Tochter weigerte sich aus den ersten Bewegungs = Gründen. Die Mutter, welche sie bißher unterstützt, und mich gebeten hatte, die Seltsamkeiten ihres Manns zu entschuldigen, sagte mir den 29ten April, daß sie entschlossen seye, ihre Tochter auf der Stelle aus meinem Hause zu nehmen. Sie haben ihr zu befehlen, versetzt ich, wenn sie aber neue Anfälle bekommen sollte, denn thu' ich keinen Zug mehr. Diß hörte ihre Tochter, und wurde so empfindlich dadurch gerührt, daß sie neuerdingen die Gichter bekam. Der Herr Graf von Pellegrini, einer meiner Kranken, kam ihr zu Hülfe, die Mutter aber, welche ihr Geschrey hörte, verließ mich plötzlich, riß ihre Tochter halb wüthend aus den Händen, die ihr zu Hülfe gekommen waren, und sagte: Unglückliche! Du spielst auch mit den Leuten dieses Hauses unter einem Hütgen! ja sie stieß ihr den Kopf in der Wuth gegen die Wand. Nun erneuerten sich alle Anfälle dieser Unglücklichen. Ich eilte auf sie zu, ihr zu helfen, die noch immer wüthende Mutter stürzte über mich her, mich zu hindern und schimpfte was sie konnte. Ich aber ließ sie durch einige Personen meines Hauses entfernen, und gieng wieder zur Tochter, um für sie zu sorgen. Indem ich hiemit beschäfftiget war, hört ich ein neues wüthendes Geschrey und abwechselnde wiederholte Bemühungen, die Thüre des Zimmers, worinn ich mich befand, aufzureissen und wieder zuzuschmettern. Diß war Herr Paradis. Seine Frau hatte ihn durch einen ihrer Bedienten ruffen lassen. Er kam mit blossem Degen in mein Haus, und suchte in das Zimmer zu dringen, mein Bedienter aber bemühte sich ihn abzuhalten, und stellte sich vor die Thüre. Endlich wurde der Rasende entwafnet, und verließ, unter tausend Flüchen über mich und die Meinige, meine Wohnung. Seine Frau hingegen lag in Ohnmacht, ich ließ ihr die nöthige Hülfe leisten, und sie begab sich nach einigen Stunden hinweg. Aber ihre unglückliche Tochter bekam Erbrechen, Gichter und Anfälle von Wuth, welche das geringste Geräusch, vorzüglich der Ton der Glocken biß zum Erstaunen vermehrte. Ja sie wurde durch den hefftigen Stoß, den ihr ihre Mutter gegeben hatte, wieder blind, und diß ließ mich sehr viel für ihr Gehirn befürchten.

Diß waren, für sie und mich, die traurige Folgen dieses betrübten Auftritts. Leicht hätt' ich alle diese Vergehungen, gerichtlich durch das Zeugnis des Herrn Grafen von Pellegrini, und noch acht Personen, die sich bey mir befanden, erhärten können, ohne von eben so viel Nachbarn zu sprechen, welche alle im Stand waren die Wahrheit zu bezeugen. Allein, einzig damit beschäfftigt, wenn es immer möglich wäre, die Jungfer Paradis zu retten, vernachlässigte ich alle rechtliche Mittel. Umsonst vereinigten sich meine Freunde, mir die Sonnenklare Undankbarkeit dieser Leute, und die fruchtlose Bemühungen meiner Arbeiten vorzustellen. Ich blieb bey meinem ersten Entschluß und würde mich noch dazu glücklich geschätzt haben, wenn ich durch Wohlthaten die Feinde der Wahrheit, und meiner Ruhe hätte besiegen können.

Den folgenden Tag erfuhr ich, daß Herr Paradis, um seine Vergehungen zu bemänteln, die schändlichsten Beschuldigungen gegen mich ausstreute, alles in der Absicht seine Tochter aus meinem Haus zu schaffen, und durch ihren Zustand das Gefährliche meiner gebrauchten Mittel zu beweisen. Und wirklich erhielt ich, durch Herrn Hof=Medicus Ost, einen, von Herrn von Störk, als Präsidenten des Medicinal = Wesens geschriebenen Befehl, Schönbrunn den 2ten May 1777, der mir auferlegte: Dieser Betrügerey ein Ende zu machen, (diß war sein Ausdruck) "und die Jungfer Paradis ihren Eltern zurück zu geben, wenn ich glaubte, daß es ohne Gefahr für die Kranke geschehen könnte."

Wer hätte glauben sollen, daß der, so gut, durch den nemlichen Arzt, von dem bey mir vorgefallenen Auftritt, unterrichtete Herr von Störk, der seit seinem ersten Besuch zweymal gekommen war, sich von der Besserung der Kranken, und dem Nutzen meiner gebrauchten Mittel selbst zu überzeugen, daß dieser Herr sich gegen mir einen so beleidigenden verachtungsvollen Ausdruck erlauben würde? Ich hatte vielmehr alle Gründe zu vermuthen: Er, dessen eigentliche Bestimmung es erforderte, eine Wahrheit von dieser Art zu untersuchen, würde ihr Vertheydiger seyn. Ja ich unterstehe mich noch hinzusetzen: Es wäre seine, als Präsidenten der medicinischen Facultät, noch mehr als eines Mannes, der das ganze Vertrauen des höchsten Kayserlichen Hofes hatte, erste Pflicht gewesen, unter diesen Umständen ein Mitglied der Facultät zu beschützen, an dem er nichts auszusetzen wußte, einen Mann, den er hundertmal seiner Zuneigung und Hochachtung versichert hatte. Ich antwortete übrigens auf diesen unüberlegten Befehl: Die Kranke befände sich ausser Stand, ohne Lebens = Gefahr, aus dem Haus gebracht zu werden. Eben diese Lebens = Gefahr der Jungfer Paradis, machte ohne Zweifel ihren Vater zahm, und ließ ihn einige Ueberlegungen anstellen. Er bediente sich bey mir der Vermittelung zweyer liebenswürdigen Personen, um mich dahin zu bringen, noch ferner für seine Tochter besorgt zu seyn. Ich ließ ihm sagen: Es würde, doch nur unter der Bedingung, geschehen, wenn weder Er, noch seine Frau, sich in meinem Haus blicken liessen.

Und in der That übertraf die Wirkung meiner Bemühungen, alle meine Hoffnungen. Schon in neun Tagen verlohren sich die Gichter und alle Zufälle, aber sie war noch immer blind. Eine fünfzehn tägige Cur hob auch diß, und stellte auch ihre Augen wiederum so gut her, als sie vor diesem Zufall waren. Ich wandte noch andere 15 Tage an, sie zu unterrichten, wie sie sich, um ihre Gesundheit immer vollkommener zu machen und zu stärken, verhalten müßte. Nun erfuhr das Publicum ihre Wiederherstellung, und fast jederman, bezeugte mir aufs neue, so gar schrifftlich, sein Vergnügen und Zufriedenheit darüber. Herr Paradis, der von dem Herrn Ost, welcher auf sein Ersuchen, mit meiner Bewilligung die ganze Cur beobachtete, die gute Umstände seiner Tochter erfuhr, dankte meiner Frau schrifftlich für ihre mütterliche Sorgfalt. Auch mir dankte er, mit der Bitte: Ich möchte das geschehene gütigst entschuldigen, von seiner künftigen Dankbarkeit versichert seyn, und schloß zuletzt mit der Bitte: Ihm seine Tochter zu schicken. Er gedächte sich aufs Land zu begeben, und wünschte, daß sie mit Ihm die Landluft geniessen könnte. Von da aus, würde er sie, mir so oft zurücke schicken, als ich es für nöthig erachten würde, sie noch ferner zu unterrichten, ja er hoffe, daß ich die Güte haben würde, Sie nicht zu verlassen. Ich war gutherzig genug ihm zu glauben, und schickt' ihm seine Tochter den 8ten Junius, erfuhr aber gleich den folgenden Tag, daß sein ganzes Haus sich bemühete, das Gerücht auszubreiten: Ihre Tochter seye noch blind und von den Gichtern geplagt, ja daß man sie nöthige, gichterische Bewegungen und das Betragen einer Blinden nachzuahmen, und so den Leuten zeige.

Im Anfang wurde diesem Märchen von denen Personen widersprochen, welche selbst das Gegentheil gesehen hatten. Allein es wurde nicht nur unterstützt, sondern fand so gar, durch die schwarze Kunstgriffe, zu denen sich Herr Paradis brauchen ließ, Glauben; ohne daß es mir möglich gewesen wäre, der Wahrheit, durch die Zeugnisse der schätzbarsten Personen, z.E. des Kays. Königl. Herrn Hofrath und Staats = Canzley = Directors Spielmanns, der Kays. Königl. Räthe, Herrn von Molitor und Umlauer Kays. Königl. Arztes; Herrn von Boulanger, von Heufeld, und der Herrn Barons von Colnbach und von Weber, den Sieg zu verschaffen, welche doch, (nicht von vielen ändern Personen zu sprechen) aus eigener Bewegung, fast täglich, mein Verfahren und seine Wirkungen beobachtet hatten.

Auf diese Art, kam man endlich, trotz aller meiner standhafften Bemühungen, so weit, die aufs unwiderleglichste bewiesene Wahrheit unter die Classe der Betrügereyen, wenigstens der allerungewissesten Dinge zu versetzen. Jedermann begreifft, welch einen Eindruck, die wüthende Begierde meiner Gegner, mir zu schaden, und die Undankbarkeit eines Hauses, welches ich mit Wohlthaten überhäuft hatte, auf mich machen mußte.

Und dannoch setzt ich, während der letzten Hälfte 1777, die Cur der Jungfer Ossine und Zwelferinn fort. Diese letztere, hatte, wie ich schon gesagt habe, noch weit elendere Augen als die Jungfer Paradis. Glücklich verfolgte ich die Cur, der übrigen bey mir gebliebenen Kranken, namentlich der Jungfer Wipior von neun Jahren. Diese hatte auf dem einen Aug einen Auswuchs der Hornhaut, welcher gemeiniglich unter dem Namen Staphyloma bekannt ist. Und diese drey bis vier Linien hohe knorpelichte Erhöhung raubte ihr den Gebrauch des einen Auges. Ich war so glücklich, diesen Auswuchs so sehr zu zertheilen, daß sie mit diesem Aug wieder lesen konnte. Nur ein schwaches Fell war auf der Mitte der Hornhaut zurück geblieben, und ich glaube gewiß, ich würde auch diß weggebracht haben, wenn mir die Lage meiner Umstände gestattet hätte, die Cur fortzusetzen. Aber, ermüdet von meinen zwölfjährigen anhaltenden Arbeiten, noch mehr durch die unterstützte Verfolgung meiner Gegner, ohne das mindeste Vergnügen für alle meine Untersuchungen und Beschwehrlichkeiten, als dasjenige, das mir meine Feinde nicht rauben konnten, erhalten zu haben, glaubt' ich bißher alle meine Pflichten gegen meine Mitbürger erfüllt zu haben: Ueberzeugt, daß ein Tag kommen würde, wo man mir mehr Gerechtigkeit würde wiederfahren lassen, entschloß ich mich zu reisen, in der einigen Absicht, mir die höchstnöthige Erholung zu verschaffen. Um aber zugleich, so viel mir möglich war, dem Vorurtheil und den Beschuldigungen entgegen zu arbeiten, richtete ich alles so ein, daß Jungfer Ossine und Zwelferinn, während meiner Abwesenheit, in meinem Haus blieben, und gebrauchte hernach die Vorsicht, dem Publicum den Grund davon anzugeben: "Sie blieben deßwegen in meiner Wohnung, damit man ihre Lage alle Augenblick zur Steuer der Wahrheit untersuchen und bestättigen könnte". Acht Monate brachten sie da zu, und verliessen es bloß auf höhere Befehle.

Im Februar 1778 kam ich nach Paris,8 und fieng an das angenehme der Ruhe zu gemessen, mich ganz der wichtigen Bekanntschafft der Gelehrten und Aerzte dieser Hauptstadt zu überlassen, biß ich mich endlich, um ihre zuvorkommende Höflichkeit, womit sie mich überhäufften, zu erwiedern, genöthigt sähe, ihre Neugierde zu befriedigen, und von meinem System zu sprechen. Sie stutzten über seine Beschaffenheit und Wirkungen, und wünschten meine Erklärung darüber. Ich gab Ihnen auch dieselbe in meinen 19 kurzen Sätzen.9 Diese schienen Ihnen in gar keiner Verbindung mit denen bißher bekannten Kenntnissen zu stehen. Ich fühlte wirklich selbst, die Schwierigkeit, durch blosse Vernunft = Schlüsse, das Daseyn eines Principiums zu beweisen, von dem man noch gar keinen Begriff hatte, und willigte, in dieser Rucksicht, in die Forderung, die Wahrheit und den Nutzen meiner Theorie, durch die Cur einiger schwehren Krankheiten, zu beweisen.

Man vertraute mir verschiedene Kranke an, aber der größte Theil befand sich in so Übeln Umständen, daß meine ganze Neigung, nützlich zu seyn, erfordert wurde, um mich nur zu ihrer Annahme zu bewegen. Und doch war ich so glücklich: Eine mit krampfigtem Erbrechen verbundene von Vapeurs entstandene Melancholie, verschiedene alte Verstopfungen der Miltz, der Leber und des Gekröses, einen unvollkommenen Staar, der schon so weit gekommen war, daß die Person nicht mehr ohne Führer gehen konnte, eine allgemeine mit Zittern verbundene Lähmung, welche den viertzig jährigen Kranken einem Greis und Betrunkenen ähnlich machte, zu heilen. Diese letzte Krankheit war eine Folge des Erfrierens, und verschlimmerte sich durch ein bösartiges Faulfieber, wovon der Kranke vor sechs Jahren in America war überfallen worden. Eben so glücklich hob ich eine gänzliche Lähmung und Schwinden der Füsse; ein anhaltendes Erbrechen, welches dem Kranken eine Dörrsucht zugezogen hatte; eine Schwindsucht und Verhärtung der Drüsen (Cachexia ferophulofa) und endlich eine allgemeine Unordnung in den Ausdünstungs = Werkzeugen.

Alle diese Kranke, deren Plage den Pariser Aerzten bekannt und von ihnen anerkannt worden war, bekamen Crisen und merkliche, der Natur ihrer Krankheiten gemässe Ausleerungen, ohne irgend ein Arzney = Mittel gebraucht zu haben, und liessen mir, nach geendigter Cur, hierüber eine umständliche Erklärung.

Und ist diß nicht mehr als hinreichend, die Vorzüge meiner Cur = Art, unwiderleglich, zu beweisen, hatt' ich nicht Grund mir zu schmeicheln, daß es eine volle Ueberzeugung wirken würde? Aber gerade die Personen, welche mich bewogen, diese Curen zu unternehmen, setzten sich nicht in die Lage worinnen sie den Erfolg genau beobachten konnten, und diß aus Beweggründen, deren Entwickelung in dieser Schrifft am unrechten Ort stehen würde. Da diese Curen, gegen mein Erwarten, nicht dem Corps vorgelegt wurden, dessen Achtung allein die Stimme des Publicums hätte berichtigen können, so erreichten sie die Absicht, welche ich mir vorgesetzt, womit ich mir geschmeichelt hatte, nur unvollkommen. Und diß veranlaßt mich nun einen neuen Versuch für den Sieg der Wahrheit zu wagen. Hier liefere ich meine erste, aber merklich erweiterte Sätze, und mache sie hiemit öffentlich so bekannt, wie es bißher noch nie geschähe.

 

Sätze

1) Die Himmels = Körper, die Erde und die thierische Körper haben einen wechselseitigen Einfluß in einander. Und zwar vermöge

2) Einer allgemein verbreiteren stätigen, äusserst feinen Flüssigkeit, welche ihrer Natur nach die Fähigkeit hat alle Arten von Bewegung anzunehmen, dieselbe mitzutheilen, und fortzupflanzen.

3) Diese wechselsweise Wirkung richtet sich nach mechanischen, bißher unbekanten Gesetzen.

4) Von ihr entspringen die wechselsweisen Würkungen, die man als eine Ebbe und Fluth ansehen kann.

5) Diese Ebbe und Fluth ist mehr oder weniger allgemein, mehr oder weniger auf einzelne Gegenstände eingeschränkt, mehr oder weniger zusammen gesetzt, je nachdem ihre bestimmende Ursachen beschaffen sind.

6) Auf diese Art (und es ist die aller allgemeinste, die man in der ganzen Natur findet) stehen die Himmels = Körper, die Erde und ihre wesentliche Bestandtheile in einem thätigen Verhältnus gegen einander.

7) Und von ihr hängen die Eigenschafften der Materie und der organischen Körper ab.

8) Auf den thierischen Körper haben die abwechselnde Wirkungen dieses Principium einen Einfluß, indem es die Substanz der Nerven durchdringt, und unmittelbar auf sie wirkt.

9) Vorzüglich hat der menschliche Körper magnetähnliche Eigenschafften, sich entgegen gesetzte Pole, die man mit einander verbinden, verändern, zerstöhren und verstärken kann, ja man hat schon die magnetische Neigung (inclinatio) daran beobachtet.

10) Eben diese Eigenschafft des thierischen Körpers, welche ihn des Einflusses der Himmels = Körper und der Zurückwirkung auf das, was ihn umgiebt, fähig macht, da sie sich auf eine Magnet ähnliche Art äussert, bewog mich, sie den thierischen Magnetismus zu nennen.

11) Die Wirkung und die Krafft dieses eben beschriebenen thierischen Magnetismus, läßt sich ändern, lebendigen und leblosen Körpern mittheilen, doch sind beyde bald mehr, bald weniger geschickt, sie anzunehmen.

12) Diese Wirkung und diese Krafft können durch die nemliche Körper verstärkt und fortgepflanzt werden.

13) Schon die Erfahrung lehrt den Ausfluß einer sehr feinen Materie, welche alle Körper durchdringt, ohne ein merkliches von ihrer Thätigkeit zu verliehren.

14) Sie wirkt auch in der Entfernung, ohne Beyhülfe eines ändern vermittelnden Körpers.

15) Sie wird, wie das Licht, durch Spiegel vermehrt und zurück geworfen.

16) Sie läßt sich durch den Schall fortpflanzen und vermehren.

17) Diese magnetische Krafft kann angehäuffet, zusammen gedrängt, und von einem Ort an den ändern gebracht werden.

18) Nicht alle lebendige Körper haben diese Fähigkeit in gleichem Grad, ja man findet, doch sehr selten, einige, welche so sehr die entgegen gesetzte Eigenschafft besitzen, daß ihre blosse Gegenwart, die Wirkung dieses Magnetismus in andere Körper, zerstöhrt.

19) Auch diese entgegen gesetzte Krafft durchdringt alle Körper, läßt sich mittheilen, fortpflanzen, anhäuffen, zusammendrängen, von einem Ort an den ändern bringen, durch Spiegel zurücke werfen, und durch den Schall fortpflanzen, und ist also nicht nur eine negative, sondern wirklich, obschon entgegen gesetzte positive Krafft.

20) Natürlich und künstliche Magnete sind, so gut als andere Körper, des animalischen Magnetismus, und so gar der ihm entgegen gesetzten Krafft fähig, ohne daß, weder im ersten noch im ändern Fall, ihre Wirkung auf das Eisen, und die Nadel, die geringste Veränderung dadurch erlitte. Ein Umstand, welcher den wesentlichen Unterschied, der Principien des thierischen und mineralischen Magnetismus, beweiset.

21) Diß System verbreitet ein neues Licht, über die Natur des Feuers, des Lichts, die Theorie der Attraction, der Ebbe und Fluth, des Magnets und der Electricität.

22) Es zeigt, daß der Magnet und die künstliche Electricität, in Absicht auf die Krankheiten, nur die gewöhnliche Eigenschafften, anderer, von der Natur uns angebottenen Mittel haben, und daß, wenn sie bißweilen einige gute Wirkung thaten, diese blos vom thierischen Magnetismus herrühre.

23) Meine practische Regeln, die ich angeben werde, sollen durch die Erfahrung lehren, daß diß Principium, Nerven = Krankheiten unmittelbar, andere mittelbat heile.

24) Daß durch seine Unterstützung, dem Arzt ein Licht im Gebrauch der Arzney = Mittel aufgesteckt wird, daß er ihre Wirkung vollkommener machen, heilsame Crisen hervorbringen, nach Gefallen lenken, und sich vollkommen zum Herrn von ihnen machen kann.

25) In der Beschreibung meiner Methode, werde ich, durch eine neue Theorie der Krankheiten, den allgemeinen Nutzen, meines ihnen entgegen gesetzten Principiums beweisen.

26) Ein mit diesen Einsichten versehener Arzt, wird zuverlässig, den Ursprung, die Natur und den Fortgang, auch der zusammengesetztesten Krankheiten, beurtheilen, ihr Steigen verhindern und sie heben, ohne jemals den Kranken einer gefährlichen Wirkung oder schädlichen Folgen auszusetzen, sein Alter, Temperament und Geschlecht seye beschaffen, wie es immer will. Selbst Schwangere und Gebährende können diesen Vortheil gemessen.

27) Mit einem Wort: Diß Lehrgebäude wird den Arzt in Stand setzen, die Gesundheit eines jeden bestimmt zu beurtheilen, ihn vor allen Krankheiten, denen er etwa ausgesetzt seyn könnte, zu verwahren, und folglich die Heilkunst auf den höchsten Gipfel ihrer Vollkommenheit bringen.

Ungeachtet unter allen diesen Sätzen nicht ein einiger ist, über welchen, mir, meine zwölfjährige unermüdete Beobachtungen, nur den mindesten Zweifel zurückgelassen hätten, so begreiff' ich doch sehr leicht, daß nach denen einmal angenommenen Grundsätzen und Kenntnissen, mein System, beym ersten Anblick eben so sehr einem Traum als der Wahrheit ähnlich scheinen werde. Allein ich ersuche alle aufgeklärte Personen, alle Vorurtheile zu entfernen, und wenigstens ihr Urtheil so lange zurück zu halten, biß mir die Umstände gestatten, meinen Grundsätzen, den Grad der Ueberzeugung zu ertheilen, deren sie fähig sind. Der Anblick so vieler, unter der Last des Jammers und des Unglücks bloß deßwegen Leidender, weil die bekannte Mittel nicht im Stand sind ihnen zu helfen, ist wohl hinreichend, den Wunsch, ja die Hoffnung, nach bessern, rege zu machen.

Nur Aerzte, diese Vertraute des Publicums, in Absicht auf die Erhaltung und Glückseligkeit des Menschen = Geschlechts, sind, vermöge der ihrer Lage wesentlichen Känntnisse fähig, die Wichtigkeit meiner angekündigten Entdeckung reif zu beurtheilen - ihre Folgen ins Licht zu stellen. Sie allein können sie in Ausübung bringen. Der Vorzug, den ich geniesse, selbst unter eine so würdige Classe von Menschen zu gehören, läßt mich nicht zweiffeln: Sie werden sich gewiß alle Mühe geben, Grundsätze anzunehmen und zu verbreiten, welche zum größten Vortheil der leidenden Menschheit gereichen. Sie werden es gewiß thun, so bald sie durch diese, ihnen vorzüglich gewidmete Schrift einen wahren Begriff von dem thierischen Magnetismus erhalten haben.

 


Anmerkungen

1. Es geht um Doktorarbeit vom F.A.Mesmer, die in Lateinisch verfasst wurde. Originaltitel lautet "De Planetarum Influxu" [Vom Einfluß der Planeten]. - Anmerkung der Redaktion der Website.

2. Es geht um das Buch "Schreiben über die Magnetkur von Herrn A.Mesmer, Doktor der Arznengelährtheit an einen auswärtigen Arzt", 1775. (Anmerkung der Red. d. Website).

3. Brief über den thietischen Magnetismus und das Elecktrophor an den Herrn Grafen von Kinszky. Er wurde in die Schrifften der böhmischen gelehrten Gesellschaft vom Jahr 1776. T. II. eingerückt, aber auch besonders gedrucke, und das folgende Jahr in Wien verbreitet.

4. Es geht um Pfarrer Johann Joseph Gaßner (1727-1778), der Exorzismus praktizierte (Anmerkung der Red. d. Website).

5. Maximilian III Joseph, 1745-1777. (Anmerkung der Red. d. Website).

6. Im Anfang 1778 erschien: Eine Sammlung derer durch den Magnetismus verrichteten Curen, in Leipzig. Diese unschickliche Sammlung (deren Verfasser ich nicht kenne) hat nichts als das Verdienst, getreu und ohne Partheylichkeit, alle Erzählungen und Schrifften, für und gegen mein System, gesammlet zu haben.

7. Wiesenküchenschelle (lat. Pulsatilla pratensis). (Anmerkung der Red. d. Website).

8. Meine, mir zu schaden immer unermüdete Gegner, bemühten sich, bey meiner Ankunft in Frankreich, alles gegen mich einzunehmen. Sie zogen so gar die Wienerische medicinische Facultät mit ins Spiel, und liessen im Merz 1778 ein Schreiben ohne Namen, in das Journal Encyclopedique p. 506. einrücken. Herr Hell, Herr zu Hirsingen und zu Lundzer, nahm keinen Anstand zu dieser Verleumdungs = Schrifft seinen Namen zu leihen. Inzwischen war ich noch nicht bekannt, und sah' sie nicht, biß man sich in Paris darüber gegen mich entschuldigte. Die Unwahrheit, erbärmliche Schlüsse und Boßheit dieses Schreibens, verdienen übrigens nichts als Verachtung. Man darf es nur lesen, um sich davon zu überzeugen.

9. Diese nemliche Sätze, wurden 1776, von Herrn Elliot, Englischen Gesandten auf dem Reichstag zu Regensburg, nach Londen der Königlichen Gesellschaft überschickt. Ich hatte sie diesem Herrn, auf sein Verlangen mitgetheilt, da er von mir sehr viele Versuche in München und Regensburg gesehen hatte.

Zusätzlicher Stoff

  • Ausschnitte aus dem Buch "Allgemeine Erlaeuterung ueber den Magnetismus und den Somnambulismus" von Dr. F.A. Mesmer (1812).
  • Ausschnitte aus dem Buch "Allgemeine Erläuterung über den Magnetismus und den Somnambulismus" von Dr. F.A. Mesmer (1812).