Emil Alexandrov, 
nachgedruckt von Sofia-Press, 1979, 29 Seiten. 
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N.K.Roerich, 1931-33. Naggar, Indien.

Der große russische Maler, Dichter, Wissenschaftler und Humanist Nikolai Konstantinowitsch Roerich, der auch am öffentlichen Leben aktiv teilnahm, wurde am 27. September 1874 in Petersburg geboren. Er hat in Rußland, Finnland, England und den USA und seit 1923 in Indien gelebt, wo er am 13. Dezember 1947 starb. Während seines Aufenthalts im Ausland unterbrach er nicht die Verbindung zu seiner Heimat und war stets bemüht, ihr zu dienen. Sein malerisches Oeuvre umfaßt über 7000 Bilder mit mannigfaltigen Sujets - von großen historischen Kompositionen bis Himalaja Landschaften und einzigartigen Gemälden mit äußerst dekorativer Wirkung -, in denen er die erhabensten Bestrebungen des Menschen zum Ausdruck brachte. Seine Leistungen als Bühnenbildner waren nicht minder bedeutend. Seine Gedichte sind in vielen Sprachen erschienen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten über Probleme der Kunst, Kultur, Sprachwissenschaft und Philosophie füllen 27 Bände. Ferner sind ihm bemerkenswerte archäologische Studien und Publikationen zu verdanken, die das Ergebnis großer Expeditionen in Rußland, Indien, der Mongolei und China sind, auf denen er auch botanische und philosophische Studien betrieb. Darüber hinaus war er auch auf dem Gebiet anderer Wissenschaften tätig und hat wissenschaftliche Institute gegründet. Nikolai Konstantinowitsch Roerich, der universal begabt war, hat sein ganzes Leben in den Dienst von Kunst und Wissenschaft sowie der Öffentlichkeit gestellt.1

N.K.Roerich hat auch außerordentliche Verdienste um den internationalen Schutz der Kulturinstitutionen und guter. Der 1929 als Roerich-Pakt bekannte auf seine Initiative ausgearbeitete Entwurf für einen internationalen Pakt über den Schutz von wissenschaftlichen und Kunstinstitutionen, historischen Denkmälern, Missionen und Sammlungen wie auch die im Zusammenhang damit geschaffene Flagge des Friedens erlangten große Popularität unter den damals fortschrittlich Gesinnten und regten auch die Aufmerksamkeit der Staatsführer verschiedener Ländern.2 Am 15. April 1935 unterzeichneten in Washington die zur Panamerikanischen Union zählenden Staaten den Roerich-Pakt, wodurch "diese Akte das Verdienst hat, das erste völkerrechtliche Dokument" über Fragen des Schutzes der Kulturgüter und Institutionen, "zu sein, das nicht nur geplant sondern auch tatsachlich unterzeichnet worden ist".3Auf Initiative der UNESCO und nach dem Vorbild des Roerich-Pakts wurde 1954 in Den Haag eine Konvention über den Schutz der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konflikts unterzeichnet, der sich heute die meisten Staaten angeschlossen haben.4 Auf diese Weise wurde N.K.Roerich als Initiator und Realisator der edlen Idee des Schutzes der kulturellen Errungenschaften der Menschheit unter Mitwirkung aller Staaten der Welt und als unermüdlicher Vorkämpfer für diese Idee historisch anerkannt.

Das Problem des völkerrechtlichen Schutzes der Kulturgüter und Institutionen ist von großer Bedeutung für unsere Zeit, für welche die starke Entwicklung von Kunst und Kultur und der internationalen geistigen Kontakte sowie die Erhöhung ihrer Rolle für die Wechselbeziehungen der Menschen und für die Lösung der großen Weltprobleme charakteristisch sind. Gleichzeitig aber sind die Kulturgüter bedroht durch militärische Konflikte, Zurüstungen zum Krieg, internationalen und inneren Terrorismus, Banditenunwesen und Vandalismus, durch die Einwirkung der Umwelt und andere Faktoren zerstört zu werden. Deshalb sind die Ideen N.K.Roerichs, der in gewisser Beziehung seiner Zeit voraus war, wie auch ihre völkerrechtliche Realisierung durch die erwähnte Normativakte besonders interessant und erlangen eine neue, zeitgemäße Bedeutung und einen neuen Inhalt.

 

1. RÜCKBLICK AUF DAS PROBLEM

Die Kulturdenkmäler, -guter und -institutionen sind schon im Altertum geachtet worden, um so mehr da sie mit dem Kultus verbunden waren. "Vita brevis ars longa", sind die Worte, mit denen bereits damals die Kürze des menschlichen Lebens und die Dauer und Unvergänglichkeit der Kunst zum Ausdruck gebracht wurden. Der Umstand, daß die Schaffung und Erhaltung der Kunstwerke und der kulturellen Einrichtungen zu jener Zeit auch von den herrschenden Institutionen gefördert wurden, übte noch keinen Einfluß auf die Regeln der Kriegführung aus. Mit Ausnahme für einige kultische Denkmäler bestanden weder schriftliche noch gewohnheitsrechtliche Normen oder die Praxis, sie während Kriegshandlungen zu schonen. Auch im Mittelalter hatte sich die Situation nicht wesentlich geändert. In der Renaissance aber wurden Bedeutung und Rolle der Kunst und der Schöpfer von Kunstwerken und Kulturgütern sowie die Achtung für sie größer, was bessere Bedingungen für ihren Schutz in Friedens- und Kriegszeiten schuf. Es gab zwar noch keine völkerrechtlichen Normen für ihren Schutz während eines Krieges, so daß er von der Vernunft, dem Verständnis und dem guten Willen des entsprechenden Herrschers oder Feldherrn abhing.5Postkarte. Delegates to the Second Assembly for the Roerich Pact, August, 1932.

Die Grundlage zur völkerrechtlichen Reglementierung des Schutzes des Kulturinstitutionen und -guter als allgemeinmenschlicher Besitz wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegt. In seiner Präambel stützt sich der Roerich-Pakt auf die damals und danach geschaffenen diesbezüglichen Normativakten. An erster Stelle wird auf die Genfer Konvention vom 22. August 1864 über die Verbesserung des Loses der Verwundeten hingewiesen.6 Diese Übereinkunft proklamierte das Prinzip und reglementierte das humane Verhalten den Kranken und Verwundeten gegenüber, was auch eine neue Einstellung zu den Kulturgüter in Kriegzeiten zur Folge hatte, obwohl ähnliche Verordnungen in dieser Hinsicht noch fehlten. Der Roerich-Pakt stützt sich auch auf den Generalvertrag der Berliner Konferenz vom 26. Februar 1885, der den Schutz von wissenschaftlichen Expeditionen sicherte. Weiter beruhte es auch auf der Schlußakte der Ersten internationalen Haager Friedenskonferenz vom 29. Juli 1899.7 Die von ihr gebilligten Konventionen über friedliche Regelung der internationalen Streitigkeiten, über Kriegsgesetze und -brauche und Deklarationen über das Verbot von Giftgasen, Dum-Dum-Geschossen und dem Abwerfen von Bomben von Luftballons aus bedeuteten einen Schritt vorwärts zur Reglementierung der Kriegführung, wobei auch ein gewisser Schutz der historischen Denkmäler sowie religiösen und kulturellen Einrichtungen mit einbezogen wurde (in der angenommenen Konvention über die Gesetze und Bräuche des Landkrieges). Die Schlußakte der Zweiter Haager Friedenskonferenz vom 18. Oktober 19078 und insbesondere in Artikel 27 des Annexes der Vierten Haager Konvention stellen die Kulturdenkmäler und -institutionen unter speziellen Schutz. Mit diesem Text wird angeordnet, daß bei Belagerung und Luftangriffen alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen sind, um Sakralbauten wie auch Gebäude, die den Künsten, den Wissenschaften und der Wohltätigkeit dienen, historische Denkmäler, Krankenhäuser und Stätten, wo Kranke und Verwundete untergebracht sind, möglichst zu schonen, wenn sie nicht gleichzeitig für militärische Zwecke benutzt werden. Diese Gebäude und Stätten müssen mit sichtbaren Kennzeichen versehen sein, über die die gegnerische Seite zu informieren ist.

Der Roerich-Pakt stützt sich auf zwei neuerere völkerrechtliche Dokumente, und zwar auf den Vertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10. September 1919 und den am 27. August 1928 in Paris unterzeichneten Kriegsächtungpakt (Briand-Kellogg-Pakt). Artikel 11 des Vertrags von Saint-Germai-en-Laye9 deklariert, daß die dem Vertrag beigetretenen Mitglieder des Völkerbundes ungeachtet ihrer Nationalität und Konfession die religiösen, wissenschaftlichen und Wohltätigkeitseinrichtungen und -initiativen schützen und daß die wissenschaftlichen Missionen, ihre Materialien und ihre Sammlungen ebenfalls Gegenstand spezieller Fürsorge sein werden. Dadurch werden die Anordnungen des erwähnten Berliner Vertrags vom 26. Februar 1885 über den Schutz der wissenschaftlichen Expeditionen bestätigt und ergänzt. Der Briand-Kellogg-Pakt vom 27. August 192810proklamiert feierlich, daß der Krieg als Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten geächtet wird, daß die Länder auf ihn als Mittel nationaler Politik verzichten (Art.1) und daß sie ihre Streitfragen auf friedlichem Wege schlichten werden (Art. 2). Der Vertrag bezieht sich nicht direkt auf den Schutz der Kulturgüter und -institutionen, steht jedoch indirekt mit dieser Frage, die mit dem Problem der Vermeidung des Krieges verbunden ist, in Zusammenhang. Ein weiterer Grund, ihn anzuführen, ist, daß der Roerich-Pakt im selben Jahr wie der Briand-Kellogg-Pakt aufgesetzt worden ist, und letzterer wurde damals als ein äußerst wichtiges Dokument betrachtet, das Hoffnungen auf die Beseitigung des Krieges aus dem Leben der Menschheit erweckte.Dritte Internationale Konferenz des Roerich Paktes und Friedensbanners, Washington, 17 November, 1933.

N.K.Roerich setzte sich schon 1904 für die Schaffung einer internationalen Konvention über den Schutz der Kulturdenkmäler ein, als er der russischen Regierung einen entsprechenden Entwurf vorlegte. Während des ersten Weltkrieges kämpfte er erneut und noch beharrlicher darum. 1914 schuf er das Plakat "Feind des Menschengeschlechts", mit dem er die Zerstörung der Kulturdenkmäler in Leuven, Chantilly und Reims anprangerte. Er wandte sich mit Aufrufen an hochgestellte Politiker, sogar an den russischen Zaren, in denen er einen völkerrechtlichen Schutz der Kulturgüter vorschlug. Mißerfolge entmutigten ihn nicht. Die Verheerungen durch den Krieg waren ein Beweis für die Richtigkeit seiner Forderungen. Nach dem Krieg führten seine Bemühungen zur Abfassung des gesamten Textes des Roerich-Paktes im Jahre 1929. den die Professoren für Völkerrecht Schklawer und Pradel auf Verlangen Roerichs ausarbeiteten. Roerich selbst schuf die Friedensflagge, die als Kennzeichen für die Kulturdenkmäler und -institutionen, die völkerrechtlich zu schützen waren, dienen sollte. Die Flagge stellte drei rote Kreise in einem größeren roten Kreis auf weißen Grund dar. Damit wollte er die Ewigkeit, ausgedrückt durch den großen Kreis, und die Kontinuität von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, versinn bildlicht durch die drei kleineren Kreise, symbolisieren, obwohl er der Meinung war, daß sie auch eine andere Deutung zuließen.

Das Projekt Roerichs stieß auf Verständnis und wurde von vielen damaligen namhaften Denkern unterstützt, und in New York. Paris und anderen Städten wurden Komitees für seine Verwirklichung gebildet. Auch das Komitee für Museen beim Völkerbund billigte den Entwurf. 1931 und 1932 fanden in Brügge zwei internationale Konferenzen statt, die zur Unterstützung des Paktes einberufen worden waren. Eine dritte Konferenz wurde in New York unter Beteiligung von offiziellen Vertretern von 36 Staaten durchgeführt, die den Pakt allen Ländern empfahl. Am 15. April 1935 unterzeichneten die amerikanischen Staaten unter der persönlichen Mitwirkung des USA-Präsidenten Franklin D.Roosevelt den Pakt, der für sie auch heute noch in Kraft ist.

Henry Wallace bei der Unterzeichnung des Roerich-Paktes am 15. April 1935. Präsident Roosevelt und Vertreter der Panamerikanischen Vereinigung und des Roerich-Museums sind ebenfalls anwesend.

Henry Wallace bei der Unterzeichnung des Roerich-Paktes am 15. April 1935. Präsident Roosevelt und Vertreter der Panamerikanischen Vereinigung und des Roerich-Museums sind ebenfalls anwesend.

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg setzte vor allem infolge der Zerstörungen von Kulturdenkmälern während des Krieges durch die Kampfhandlugen der imperialistischen Staaten eine neue Etappe des Kampfes für die Umwandlung des Roerich-Paktes in einen allgemeingültigen völkerrechtlichen Vertrag ein. Dieser Kampf wurde auch nach dem Tod seines Urhebers (1947) fortgesetzt. 1950 übernahm die UNESCO die gesamte Dokumentation des Paktes vom New Yorker Komitee. Eine zu dieser Frage gebildete Sonderkommission der UNESCO erarbeitete unter Berücksichtigung auch anderer Vorschläge einen Entwurf für eine Konvention und überreichte ihn der zu diesem Zweck am 21. April 1954 in Den Haag einberufenen internationalen Konferenz, die am 14. Mai 1954 die Konvention über den Schutz der Kulturgüter im Falle eines Krieges annahm.11

Die enge Verbindung zwischen dem Roerich-Pakt und der Haager Konvention von 1954 wird in zwei Texten der Konvention nachdrücklich hervorgehoben. In der Präambel heißt es, daß dieser Konvention die in den Haager Konventionen von 1899 und 1907 sowie im Washingtoner Pakt von 15. April 1935, der auch als Roerich-Pakt bekannt ist, aufgestellten Prinzipien des Schutzes der Kulturgüter im Falle eines Krieges zugrunde liegen. In Artikel 36 der Konvention wird unterstrichen, daß für die Staaten, die den Washingtoner Pakt vom 15. April 1935 den Schutz der wissenschaftlichen und künstlerischen Zwecken dienenden Einrichtungen sowie der historischen Denkmäler (Roerich Pakt) unterzeichnet haben und dieser Konvention beigetreten sind, letztere den Roerich-Pakt ergänzt und die in Artikel 3 des Paktes beschriebene Flagge durch das in Artikel 16 der Konvention angeführte Zeichen ersetzt. Auf diese Weise ist der Roerich-Pakt für die amerikanischen Staaten, die ihn unterzeichnet haben, ein völkerrechtlich gültiges Dokument, und für die Signatarstaaten der Haager Konvention ist sie in Kraft, wobei diese verpflichtet sind, die von ihre vorgeschriebene Flagge zu berücksichtigen.

 

2. OBJEKTE DES SCHUTZES

Im Roerich-Pakt sind die zu schützenden Objekte ausdrücklich angeführt. Dies sind laut Artikel l die historischen Denkmäler, die Bildungs-, Kunst- und wissenschaftlichen Missionen, das Personal und die Sammlungen solcher Institutionen und Missionen. Im selben Text wird betönt, daß sie auf allen Territorien, die unter der Herrschaft der Vertragsländer stehen, ungeachtet der staatlichen Zugehörigkeit jeder einzelnen Institution oder Mission geschützt sind.

Die Haager Konvention von 1954 unterscheidet drei Arten von Objekten, die unter Schutz stehen. Zur ersten gehören die beweglichen oder unbeweglichen Güter, die für das Kulturerbe eines jeden Volkes von großer Bedeutung sind. Als solche sind beispielsweise angeführt: historische und Kunstdenkmäler, Kunstwerke, Handschriften, Bücher und andere Gegenstände von historischer, künstlerischer oder archäologischer Bedeutung wie auch wissenschaftliche und Büchersammlungen, Archivmaterialien oder Reproduktionen von Kunst- und Kulturgütern. Zur zweiten Art von Objekten, die unter Schutz stehen, zählen alle Gebäude, deren tatsächliche und wichtigste Bestimmung Aufbewahrung oder Zurschaustellung von beweglichen Kulturgütern ist. Als solche gelten Museen, große Bibliotheken, Archive und sichere Lagerräume, in denen während eines Krieges solche Kulturgüter aufbewahrt werden. Die dritte Art der zu schützenden Objekte, umfaßt die Zentren, in denen sich eine große Zahl von Kulturgütern befindet (Art.1).

Daraus wird ersichtlich, daß im Roerich-Pakt die unter Schutz zu stellenden Objekte in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden, und zwar in Kulturgüter und Kulturinstitutionen. Die Haager Konvention stellt zwei Hauptobjekte unter Schutz - Kulturgüter und Einrichtungen, in denen Kulturgüter aufbewahrt werden (zu ihnen gehören die Zentren, in denen Kulturgüter konzentriert sind). Der Unterschied zwischen den Bestimmungen im Pakt und in der Konvention besteht folglich darin, daß im ersten Fall nicht nur die Einrichtungen, in denen Kulturgüter aufbewahrt werden, sondern auch alle kulturellen Institutionen - Bildungseinrichtungen, wissenschaftliche, künstlerische und andere Institutionen - und im zweiten Fall nur die Einrichtungen, bzw. ihre Räumlichkeiten, in denen Kulturgüter aufbewahrt werden, unter Schutz gestellt sind.

Die von der Haager Konvention, die ein universales völkerrechtliches Dokument ist, angenommene normative Regelung schränkt die unter Schutz stehenden Objekte ein. Es handelt sich dabei um den Schutz der Kulturgüter und nicht der Kulturinstitutionen im weiteren Sinne des Wortes. Der Begriff Kulturgüter umfaßt laut der Haager Konvention einen breiten Kreis von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen, die von großer Bedeutung für das Kulturerbe eines jeden Volkes sind. Damit wird eine bestimmte Absicht verfolgt. Dies kommt auch in dem Umstand zum Ausdruck, daß die Frage nach dem Eigentum an diesen Gegenständen und nach deren Bestimmung nicht berührt wird. Die Haager Konvention von 1907 hatte sich mit dieser Frage befaßt. Die Konvention von 1954 geht von der Auffassung aus, daß unabhängig davon, in welchen Händen sich die Kulturgüter befinden und welche konkrete Bestimmung sie im Augenblick haben, sie geschützt werden müssen, da sie Eigentum der ganzen Menschheit sind. Offensichtlich steht eine derartige Auffassung den Ideen näher, von denen sich die Autoren dieser Normativakte haben leiten lassen und die praktischen Erfordernisse notwendig machen.

Der Umstand, daß die Haager Konvention von 1954 einen breiten Kreis von Kulturgütern als zu schützende Objekte vorsieht, schafft auch viele praktische Schwierigkeiten. Sie sind bei der Ausarbeitung der Konvention hervorgehoben worden. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß es praktische sehr schwer ist. so viele Kulturobjekte zu schützen, und daß eine solche Einstellung bedeuten würde, die Konvention in hohem Maße nicht zu erfüllen. Die Lösung des Problems bestand nicht in der Beschränkung der zu schützenden Objekte, sondern in der Verringerung des Schutzes einiger ihrer Kategorien. Auf diese Weise wurden durch die Konvention zwei Formen des Schutzes festgelegt, von denen im folgenden Kapitel die Rede sein wird, und zwar: genereller Schutz, der sich auf alle in Artikel l der Konvention angeführten Kulturgüter bezieht, und Sonderschutz, der nur einen engen Kreis von Kulturgütern von außerordentlicher Bedeutung umfaßt.12

Der Roerich-Pakt geht in bezug auf die völkerrechtlich zu schützenden Objekte noch weiter. Zu ihnen zählt er auch die kulturellen Einrichtungen, jedoch nicht alle Kulturinstitutionen im weiteren Sinne des Wortes. Artikel 1 des Paktes führt als solche die Bildungs-, die künstlerischen und wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen und Missionen sowie das zu ihnen gehörende Personal an. Es handelt sich in diesem Fall folglich um drei Arten von Einrichtungen, deren erste die Bildungseinrichtungen sind. Es besteht jedoch kein Grund, dazu alle Arten von Objekten, die sich auf das Bildungswesen beziehen, zu zählen, obwohl dies nicht ausdrücklich erwähnt wird. Offensichtlich sind hier die verschiedenen Lehreanstalten, Lehrgänge usw.; gemeint, jedoch nicht die rein administrativen und Hilfsobjekte. Dasselbe gilt auch für die zweite Art von Kulturinstitutionen - die künstlerischen. Es handelt sich dabei nur um die Kunsteinrichtungen und Objekte im engeren Sinne des Wortes wie Kunstgalerien. Theater- und Musiksäle, Akademien, Ateliers usw. Ausgeschlossen sind die Verwaltungs- und Neben räume wie auch die Räumlichkeiten aller Arten von Dienststellen, die indirekt mit der Tätigkeit der aufgezählten Institutionen verbunden sind. Dasselbe gilt auch für die dritte Art von kulturellen Einrichtungen - die wissenschaftlichen, die ebenfalls im engeren Sinne des Wortes zu verstehen sind. Kennzeichnend für den Roerich-Pakt ist, daß nicht nur die Institutionen, sondern auch das in ihnen beschäftigte Personal unter Schutz gestellt werden.

Als positive Erscheinung ist zu bewerten, daß der Roerich-Pakt die Kulturinstitutionen und ihre Personal umfaßt. Daß die Haager Konvention von 1954 dagegen diese Objekte ausschließt ist, wenn man die Erfordernisse der Praxis berücksichtigt, nicht gerechtfertigt. Das Problem, die kulturellen Errungenschaften der Menschheit zu erhalten, erfordert heute mehr denn je, die zu schützenden Objekte bis auf den im Roerich-Pakt vorgesehenen Umfang zu erweitern. Gegenwärtig sind die Kulturgüter ihrem Standort nach immer mehr mit den verschiedenen Kulturinstitutionen verknüpft. Das steht auch im Zusammenhang mit ihren Schöpfern. Andererseits erfordern die bewußtere Einstellung der Menschen zu den Kulturgütern und die Erhöhung ihres kulturellen Niveaus, daß die Zahl der unter völkerrechtlichen Schutz zu stellenden Objekte ständig vergrößert wird. Hinzu kommt noch, daß der technische Fortschritt, die immer größere Zerstörungskraft der Waffen, die Entwicklung neuer Waffen wie Atom- und Wasserstoffbomben, die stärkere Auswirkung der Technik auf die Umwelt auch größere Voraussetzungen schaffen, die Ganzheit der Kulturinstitutionen und -guter anzutasten, was seinerseits nicht eine Einschränkung, sondern vielmehr die Vergrößerung der Zahl der unter Schutz zu stellenden Objekte erfordert. Der angeführte Zusammenhang zwischen den im Roerich-Pakt und in der Haager Konvention berücksichtigten zu schützenden Objekte gibt Anlaß, die Annahme einer anderen völkerrechtlichen Akte de le ferenda zu empfehlen, die auch die Kulturinstitutionen als unter Schutz zu stellenden Objekte festlegen soll, ohne dadurch die Haager Konvention über den Schutz der Kulturgüter zu verändern. Die von der UNESCO bisher in solchen Fällen angewandte Regelung wäre sehr empfehlenswert. Die von der VR Bulgarien vorgeschlagene Annahme einer solchen internationalen Akte wäre nur natürlich in Anbetracht ihrer aktiven Rolle im internationalen kulturellen Austausch und den internationalen kulturellen Prozessen, ihrer aktiven Tätigkeit in der UNESCO und den anderen internationalen staatlichen und nichtstaatlichen Kulturorganisationen und ihrer Eigenschaft als Initiator (zusammen mit Polen) des Vorschlags für Zusammenarbeit im kulturellen Bereich auf der Beratung für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

 

3. SCHUTZMETHODEN

Der Schutz der kulturellen Objekte kommt laut dem Roerich Pakt vor allem darin zum Ausdruck, daß sie in Kriegszeiten für neutral erklärt werden. Laut Artikel l müssen sie von den kriegführenden Seiten geschützt und geachtet werden. Analog verordnet Artikel 2 der Haager Konvention, daß der Schutz der Kulturgüter die Erhaltung und Achtung dieser Güter einschließt. Dort wird auch der Inhalt der Begriffe Erhaltung und Achtung der Kulturgüter erläutert. Zur Erhaltung gehört einerseits die Verpflichtung der Staaten, die Kulturgüter bereits in Friedenszeiten so auszurüsten, daß sie durch Kampfhandlungen nicht beschädigt werden können, und andererseits die notwendigen Vorkehrungen zu trefen, damit sie in Kriegszeiten nicht zu Schaden kommen. Laut Artikel 4 der Haager Konvention bedeutet die Achtung der Kulturgüter das Verbot, sie bei Kampfhandlungen zu benutzen, was zu ihrer Zerstörung und Beschädigung führen könnte. Die Staaten sind ferner verpflichtet, auch in der Nähe der zu schützenden Objekte befindliche Einrichtungen nicht für militärische Zwecke zu benutzen und von jeglichen feindlichen Handlungen gegen diese Objekte abzusehen, was demselben Ziel - ihrer Erhaltung und Nichtbeschädigung - dient. Die Achtung der Kulturgüter schließt ferner auch die Ahndung ver suchten oder verübten Diebstahls, Raubs und gesetzwidriger Aneignung von Kulturgütern, in welcher Form es auch sei, wie auch jeglicher Äußerungen von Vandalismus ein. Verboten wird auch die Requisition der beweglichen Kulturgüter, die sich auf dem Territorium einer der kriegführenden Seiten befinden.

Punkt 2 des Artikels 4 der Haager Konvention sieht eine Ausnahme hinsichtlich der Verpflichtung der Staaten, die Kulturgüter zu schützen, vor. Diese Verpflichtungen müssen nur dann nicht eingehalten werden, wenn eine derartige Nichteinhaltung eine zwingende militärische Notwendigkeit ist. Laut der Haager Konvention ist die militärische Notwendigkeit eine internationale Regel, die die von Punkt 2 des Artikels 4 der Haager Konvention aufgestellte Norm eine universale völkerrechtliche Norm ist. Sie ist aber, besonders heutzutage, nicht gerechtfertigt. Sie wurde bei der Ausarbeitung der Haager Konvention angefochten und könnte auch heute angefochten werden.13 Schwer zu erklären ist die Zweckmäßigkeit der Zerstörung historischer Denkmäler aus militärischen Gründen, die im Augenblick notwendig erscheinen. Auch der Begriff "zwingende militärische Notwendigkeit" ist schwer zu präzisieren. Gerade, daß diese Notwendigkeit zwingend ist, bedeutet in höchstem Grade den vorübergehenden Charakter der militärischer Gründe, was zur Unvergänglichkeit der Kulturgüter im Widerspruch steht. Selbstverständlich können die hohen Ziele eines gerechten Krieges wie auch seine Maßstäbe praktisch dazu führen, daß nicht alle Stellen des Frontgebietes, an denen sich kulturelle Objekts befinden, berücksichtigt werden können. In diesem Falle würde ein gewisses Abgehen von der Regel zum Schutz der kulturellen Objekte eher Unmöglichkeit, diese Stellen konkret einzuschätzen und abzuwägen, als zwingende militärische Notwendigkeit bedeuten. Gerade die zwingende militärische Notwendigkeit gestattet es dem Militär zu entscheiden, ob die einen oder anderen Kulturdenkmäler zerstört werden dürfen, während die Unmöglichkeit, sie einzuschätzen oder abzuwägen, sie dieser Möglichkeit beraubt. Ohne daß eigentlich bei den Kämpfen um eine Stadt die unbedingte Einstellung jeglicher Artillerie- oder anderer Angriffe gefordert wird, damit die dort befindlichen Kulturdenkmäler nicht zu Schaden kommen (da es unmöglich ist vorauszusehen, ob sie dabei beschädigt werden würden), müßte die Verschonung eines Kulturdenkmals verpflichtend sein, wenn feststeht, daß das Feuer auf es gerichtet ist (selbstverständlich, wenn der Gegner sich an die Forderung gehalten hat, es nicht für militärische Zwecke zu benutzen). Die Klausel "zwingende militärische Notwendigkeit" ermöglicht die vorsätzliche Zerstörung von Kulturdenkmälern aus rein militärischen Gründen. Deshalb ist sie auch nicht annehmbar und müßte bei der Annahme anderer Normativakte in Zukunft de lege ferenda abgeschafft oder korrigiert werden. Die Einschränkung infolge "zwingender militärischer Notwendigkeit" ist im Roerich-Pakt nicht enthalten, und die in ihm gefundene Lösung ist in diesem Sinne positiv zu bewerten.

Laut Artikel 6 und 16 der Haager Konvention können die unter Schutz stehenden Kulturgüter mit einem Kennzeichen markiert werden. Ein solches Kennzeichen sieht, wie bereits erwähnt, auch der Roerich-Pakt vor, und zwar einen roten Kreis mit drei kleineren roten Kreisen in ihm auf weißem Grund. Die Haager Konvention bestimmt als Kennzeichen einen nach unten zugespitzten und in vier blaue und weiße Felder aufgeteilten Schild. Artikel 36 der Haager Konvention bestimmt ausdrücklich, daß die Friedensflagge Roerichs durch das in der Haager Konvention angeführte Zeichen ersetzt wird. Dies hebt die Benutzung der Roerich-Flagge in Fällen außer denjenigen, die in der Konvention angegeben sind, nicht auf. Ihre Popularität als Symbol des Friedens und der Kontinuität von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft könnte ausgenutzt werden. Sie kann zu einer internationalen Flagge werden, welche die vereinten Bemühungen der Völker im Namen der hohen Ziele und der Unvergänglichkeit von Kunst und Kultur versinnbildlicht.

Sowohl die Haager Konvention als auch der Roerich Pakt sehen außer dem bereits erwähnten allgemeinen Prinzipien des Schutzes der Kulturgüter auch einen Sonderschutz für Güter ,,von besonders großer Bedeutung" vor. Laut der Haager Konvention müssen sie beim Generaldirektor der UNESCO registriert werden, der dem UNO-Generalsekretär ein Exemplar der Register überreicht. Eine solche Registrierung ist auch im Roerich-Pakt vorgesehen, und zwar nach Wahl beim Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag, dem Internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit in Paris und der Bildungssektion des Panamerikanischen Instituts in Washington. Laut Artikel 9 der Haager Konvention genießen diese Objekte Immunität in Kriegszeiten. Selbstverständlich müssen aber bestimmte Bedingungen eingehalten werden, vor allem dürfen sie nicht für militärische Zwecke benutzt werden und entsprechend registriert und gekennzeichnet sein. Beim speziellen Schutz ist diese Immunität ebenfalls durch die Klausel der militärischen Notwendigkeit eingeschränkt.

Bei Nichteinhaltung der Haager Konvention und des Roerich-Paktes ist eine entsprechende Regelungsprozedur vorgesehen. Artikel 3 des Roerich-Paktes bestimmt, daß sich die Länder im Falle von Verstößen an das internationale Institut werden können, bei dem sie ihre Denkmäler registriert haben. Letzteres ist berechtigt, ein internationales Komitee zur Untersuchung des Falles zu bilden. Die Untersuchungsergebnisse können öffentlich bekanntgegeben werden. Die Haager Konvention sieht einen Schlichtungsweg, die Einberufung einer internationalen Beratung zur Regelung des Streitfalles unter der Mitwirkung der UNESCO und ihrer Organe vor.14 Die UNESCO hat sich wiederholt mit Verletzungen der Haager Konvention durch die imperialistischen Staaten befaßt. Besonders wichtige Diskussionen fanden anläßlich der Verstöße Englands und Frankreichs im Aggressionskrieg gegen Ägypten 1954 und der Verstöße Israels in seinem Krieg gegen die arabischen Länder statt.15 Im Krieg gegen das vietnamesische Volk haben die USA ebenfalls zahlreiche kulturelle Objekte zerstört.

Die Bestimmung der Haager Konvention von 1954 ist der Schutz der Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konfliktes, jedoch nicht in Friedenszeiten. Selbstverständlich verpflichtet sie die Länder, schon in Friedenszeiten Vorkehrungen für den Schutz dieser Objekte im Falle eines Krieges zu treffen. Der Roerich Pakt hat ein weitgespannteres Ziel - den Schutz der Kulturgüter und Institutionen auch in Friedenszeiten. Das geht aus vielen Äußerungen Roerichs hervor. "Der Begriff Kultur", sagte er "bedeutet nicht kalte Abstraktheit, sondern wahrhaftes Schöpfertum. Er ist in den Begriffen der ständigen Großtat des Lebens, der Bildung, der Arbeit, des Schöpfertums lebendig... Deshalb brauchen wir die "Friedensflagge" nicht nur in Kriegszeiten, sondern vielleicht noch mehr Tag für Tag, wenn ohne den Donner der Geschütze häufig solche nicht wieder gutzumachende Vergehen gegen die Kultur begangen werden." Über die Friedensflagge genannte Fahne sagte Roerich: "Ist es nicht erstaunlich, daß "mir" auf Russisch gleichzeitig Frieden und Weltall bedeutet: Und das ist nicht auf Armut der Sprache zurückzuführen. Die Sprache ist reich. Sie sind ihrem Wesen nach gleichlautend. Weltall und friedliches Schaffen sind untrennbar."16 Es ist klar, daß der Urheber des Paktes und der Friedensflagge den Schutz der Kulturgüter nicht nur in Kriegszeiten gemeint hat. Seinem Wesen, seinem Schaffen und seinem ganzen Leben gemäß hat Roerich Kultur und Kulturgüter in einem sehr weiten Sinn des Wortes verstanden, und zwar als Schöpfertum, als Streben nach Licht, nach Bildung, Arbeit und Fortschritt. Darum war er der Meinung, daß alle diese hohen Errungenschaften des Menschen geschützt werden können, was er in seinem Pakt zum Ausdruck brachte.

Diese Ansichten Roerichs treten in hohem Maße auch normativ im Pakt zutage. Schon aus seinem Titel geht hervor, daß er nicht nur in Kriegs-, sondern auch in Friedenszeiten den Schutz der kulturellen Objekte vorsieht. In der Präambel wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die verhandelnden Länder den Abschluß fassen, einen Vertrag zu schließen "mit dem Ziel, die Maßnahmen, die alle zivilisierten Länder für den Schutz der Institutionen und Missionen, die sich mit Kunst und Kultur befassen, sowie der wissenschaftlichen und Kunstsammlungen und historischen Denkmäler ergreifen, zu verbessern". In Artikel 4 des Paktes wird betont, daß die verhandelnden Länder beabsichtigen, durch geeignete Maßnahmen ihrer Gesetzgebung einen größeren Schutz der auf ihrem Territorium befindlichen nationalen wie auch fremden wissenschaftlichen und Kunstinstitutionen, Denkmäler, Sammlungen und Missionen zu sichern. Hier kommt die Idee der Erhaltung der Kulturdenkmäler und guter nicht nur in Kriegszeiten zum Ausdruck.

Die im Roerich-Pakt enthaltenen Ideen des Schutzes der kulturellen und schöpferischen Leistungen der Menschen nicht nur im Falle eines bewaffneten Konfliktes, sondern unter allen Umständen durch die gemeinsamen Bemühungen der verschiedenen Länder und Völker ist heute von außerordentlicher Bedeutung. Ohne die Gefahr, die die militärischen Zusammenstöße für die Kulturgüter und -institutionen darstellen, zu unterschätzen, ist sie heute nach wie vor bei weitem nicht die einzige für sie. Bürgerkrieg, Terrorismus, Banditentum, Vandalismus einiger pro faschistischer Regimes, die Auswirkungen der allseitigen menschlichen Tätigkeit und des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auf die Umwelt beschädigen und können die Kunstwerke und Kulturgüter wesentlich beschädigen. Ihre Erhaltung durch die Bemühungen aller Länder ist dringend notwendig. Die sich darauf beziehenden völkerrechtlichen Akte sind immer noch ungenügend. Ein einheitlicher internationaler Vertrag ist zu schaffen. Die UNESCO hat lediglich zwei Konventionen und mehrere Empfehlungen angenommen. Das ist die Konvention von 1972 über den Schutz des Natur- und Kulturerbes, die sich nur auf die von Zerstörung bedrohten Objekte bezieht, und die Konvention von 1970 über das Verbot der Aus- und Einfuhr sowie der Übertragung unrechtmäßig erworbener Kulturgüter. Von moralischer und politischer Bedeutung sind unter anderen die auf der 15. Generalkonferenz der UNESCO im November 1968 angenommene Empfehlung zum Schutz der infolge der Ausübung gesellschaftlicher oder privater Tätigkeiten gefährdeten Kulturgüter und die auf der 12. Generalkonferenz der UNESCO im Dezember 1962 angenommene Empfehlung zur Erhaltung der Schönheit und des Charakters der Landschaft und der Umwelt. Die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder haben eine wichtige Rolle für die Annahme diese Rechtsakte und Empfehlungen gespielt, was eine Fortsetzung der Bemühungen Roerich um die Lösung dieser zutiefst humanen Frage bedeutet.

In der Zeit, in der wir leben, sind zwar die für die kulturellen Errungenschaften durch verschiedene Faktoren entstandenen Gefahren größer geworden, aber auch die Kontakte im geistigen Bereich wurden wesentlich intensiver. Eben letzteres schafft gute und reale Möglichkeiten, die Arbeit an der völkerrechtlichen Reglementierung des Schutzes dieser Objekte nicht nur in Kriegs-, sondern auch in Friedenszeiten aktiver zu gestalten. Die jetzige Situation, in der sich das Prinzip der friedlichen Koexistenz durchsetzt, gestattet dies. Auch die VR Bulgarien kann in dieser Hinsicht Initiativen vorschlagen. Das ist eine Frage, die bei weitem den Rahmen der Diplomatie und der völkerrechtlichen Doktrin sprengt. Entsprechende völkerrechtliche Akte können bei weiterer Gültigkeit der bereits bestehenden, darunter der Haager Konvention von 1954 an genommen, angenommen und andere diesbezügliche Maßnahmen ergriffen werden nach Vorbereitung der öffentlichen Meinung in dieser Hinsicht und wissenschaftlichen Forschungen im Bereich der Kunst und auf den anderen Gebieten. Erforderlich sind die gemeinsamen Bemühungen von verschiedenen Fachleuten, Ländern und Völkern, die Bemühungen und das Verständnis vieler Staaten.

Die Verwirklichung des Schutzes der Kulturgüter wirft auch eine Reihe anderer Fragen auf. Sie werden im Roerich-Pakt, der eine generelle völkerrechtliche Akte ist und hauptsächlich prinzipielle Bestimmungen enthält, nicht behandelt. Die Haager Konvention aber befaßt sich mit ihnen, und zwar: Schutz der Kulturgüter im Falle einer Besatzung, Aberkennung der Immunität bei Nichteinhaltung der aus der Konvention herrührenden Verpflichtungen auch bei zwingender militärischer Notwendigkeit, Schutz beim Transport von Kulturgütern, Schutz des Personals, das für ihre Erhaltung sorgt, usw. Sie werden in hohem Grade nicht nur durch die Konvention, sondern auch durch das Reglement für ihre Einhaltung geregelt. Es regelt auch die Fragen der Organisation der Kontrolle über die Erfüllung, die Probleme der Einrichtung von sicheren Aufbewahrungsorten, die Zusammenstellung des internationalen Registers der Kulturgüter und die Prozedur der Eintragung in dieses Register, die Ausarbeitung der verschiedenen Arten von schriftlichen Dokumenten über diese Tätigkeiten u.a. Aufgrund dessen ist die Haager Konvention von 1954 als ein völkerrechtliches Dokument zu betrachten, das nicht nur generell das Verhalten der Staaten im Zusammenhang mit dem Schutz der Kulturgüter in Kriegszeiten festsetzt. Seine Annahme ist ein unbestreitbarer Erfolg nicht nur für die Entwicklung des Schutzes der Kulturgüter, sondern auch für die Entwicklung und Kodifikation des gegenwärtigen Völkerrechts.

Der Roerich-Pakt und die Friedensflagge, in denen die edlen und unvergänglichen Ideen N.K.Roerichs ihren Niederschlag gefunden und zur Schaffung der grundlegenden völkerrechtlichen Akte für den Schutz der Kulturgüter in Kriegszeiten geführt haben, spielen eine wichtige Rolle in der heutigen internationalen Zusammenarbeit. Wie bereits erwähnt, gibt es auf diesem Gebiet noch zahlreiche Fragen, die noch nicht normativ geregelt sind. Ihre Regelung wird dank der vereinten Bemühungen der Völker und Spezialisten der ganzen Welt einen Beitrag zur Festigung des Friedens zur Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit und zur Verwirklichung der großen allgemeinmenschlichen Ziele der Kunst und Kultur bedeuten.

 


Erläuterung der Fußnoten.

1. Die wichtigsten Arbeiten in der umfаngreichen Literаtur über dаs Leben und Schаffen N.K.Roerichs sind folgende: П.Беликов, В.Князева, Рерих, M., 1973; П.Беликов, Библиография произведений Н.К.Рериха. Ученые записки Тартуского государственного университета. 1968, N.217; В.Князева, Н.Рерих, М., 1968; М.Димитриева, Н.К.Рерих, М., 1958, Рерих, М., 1923, А.Растиславов. Н.К.Рерих, Петербург, 1918; С.Эрнст, Н.К.Рерих, Петербург, 1918; Л. Андреев, Держава Рериха, "Еар птица", 1921, N.4-5; Л.Бурлюк, Искусство Н.Рериха, Нью-Йорк, "Русский голос", 1924. (Andere Archivmaterialen von Roerich Pakt stehen unter folgende Adresse zur Verfügung (auf Englisch und Russisch): http://www.roerich.org/nr_frameset.html?mid=pactarchive - Anmerkung der Redaktion der Webseite).

2. The Roerich Pаct аnd Bаnner of Peаce, Committee New York, N.Y., 1947. Dаrin ist der vollständige Text des Roerich-Pаkts veröffentlicht. Ausgаbe des New Yorker Ausschusses für den Roerich-Pаkt, der eine bedeutende Rolle für die weitere Populаrisierung und völkerrechtliche Durchsetzung dieses Dokuments gespielt hаt. (Das Original von "The Roerich Pakt" kann man unter folgender Adresse herunterladen: http://www.roerich.org/nr_RPact.html - Anmerkung der Redaktion der Webseite).

3. S.E.Nаhlik, Lа protection internаtionаle des biens culturels en cаs de con-flit аi me, Recueil des cours de l'Acаdemie de Droit internаtionаle de Lа Hаye, 1967, t.I, p. 103-104

4. К.П.Рубаник, Гаагская конвенция 1954 г. о защите культурных цен ностей в случае вооруженного конфликта. Советское государство и право, 1957, N.8, стр. 117-120; М. Геновски, Основи на международного право. С., 1974, стр. 428; Ив. Алтынов, Проблемата за защита на културните ценности в случай на война. Известия на Института за правни науки, т. XII, кн. N.2, 1962, стр. 31-67; S.E. Nаhlik, Lа protection internаtionаle des bieris culturels en dаs de conflit аrme, Recueil des cours de l'Acаdemie de Droit Internаtionаl de Lа Hаye, 1967, t.I, p. 12-132. Die Volksrepublik Bulgаrien schloß sich der Konvention аufgrund der Verordnung N. 154 des Präsidiums der Volksversаmmlung vom 26. Mаi 1956 аn (veröffentlicht in "Isvestijа" Nr. 44 vom 1.5.1956). In bezug аuf die VR Bulgаrien trаt die Konvention аm 7.11.1956 in Krаft. Sie wie аuch dаs Reglement zu deren Erfüllung wurden in "Isvestijа" Nr. 24. vom 24. März 1959 offiziell veröffentlicht.

5. S.E.Nаhlik, "Lа protection des biens culturcis en cаs de conflit аrme..." p. 66-81

6. Bekаnnt аuch аls Genfer Rotkreuzkonvention. Den Text s. in: J.DELPECH, Lа Conference de revision de lа convention de Geneve. Revue generаle de Droit internаtionаl public. 1906. p. 636-652

7. Die Texte der Schlußаkte und ihrer Beilаgen s.in:/ Вл. Кутите. Сборник на междунаролни актове и договори. С., 1948. с. 30-35

8. Die Texte s.ebendа, S.36-120, über die IV. Hааger Konvention und ihren Annex S. 64-76

9. Ebendа, s. 164-168

10. Ebendа, S. 16-17

11. П.Беликов, В.Князева, Рерих. M.. 1973. стр. 198-194

12. S.A.NAHLIK. "Lа protection des biens culturels en cаs de conflit аrme..." P. 121-123

13. S.E.NAHLIK, "Lа protection des biens culturels en cаs de conflit аrme..." p. 130 132: Der von der sowjetischen Delegаtion аuf der Hааger Konferenz vertretene Stаndpunkt, dаß keinerlei militärische Notwendigkeit die Zerstörung von Kulturgütern und Denkmälern, die der gаnzen Menschheit gehören, zu rechtfertigen vermаg, ist beeindruckend. Die. sowjetische Stellungnаhme wurden sowohl von den soziаlistischen аls аuch von einigen westlichen Stааten unterstützt. Die Mehrheit stimmte аber für den Vorschlаg der USA, der von Englаnd und аnderen westlichen Stааten unterstützt wurde, die Klаusel der militärischen Notwendigkeit in die Konvention аufzunehmen.

14. K.П.Pyбаник, Международно-правовые проблемы ЮНЕСКО, с.155-156

15. Ebendа. S.156

16. П.Беликов, В.Князева, Рерих. М.. 1973. с. 209

 


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